Der Bestand von José María Gil-Robles Gil-Delgado


European Parliament President Gil-RoblesEP-Präsident José María Gil-Robles Gil-Delgado im Europäischen Parlament in Brüssel © Europäische Gemeinschaften 1997 – Europäisches Parlament
„Kant war es, der mit großem Scharfsinn sagte, 'der Kampf für das Parlament ist der Kampf für die Freiheit‘. Gestern, heute und für alle Zeit ist, war und wird es auch der Kampf für Gleichheit und Solidarität, der Kampf für eine friedvolle Zukunft sein.“

Biografie

José María Gil-Robles Gil-Delgado wurde am 17. Juni 1935 in Madrid als Sohn von José María Gil-Robles y Quiñones, einem spanischen Politiker und Kriegsminister der Zweiten Republik (1935–1936), der nach Frankreich und Portugal ins Exil ging, geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Estoril in Portugal. Nach seiner Rückkehr nach Spanien im Jahr 1952 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Deusto und der Universität Salamanca.

1958 wurde er zum Parlamentsjuristen (Letrado de las Cortes) im spanischen Parlament ernannt. Er war von 1959 bis 1964 Professor für Verfassungsrecht an der Universität Complutense in Madrid. Gleichzeitig begann er als Anwalt zu arbeiten, was er auch weiterhin – außer während seiner Amtszeit als Präsident des Europäischen Parlaments – stets tat.

Er hatte einen Jean-Monnet-Lehrstuhl inne und war Direktor des Centro de Excelencia de Estudios Europeos Jean Monnet „Antonio Truyol“ (Universität Complutense). Außerdem wurde ihm 1998 vom Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen in Russland und 1999 von der Universität Sofia in Bulgarien die Ehrendoktorwürde verliehen.

José María Gil-Robles Gil-Delgado verstarb am 13. Februar 2023.

Politische Ämter

•    1957: wird Mitglied der mit der Europäischen Bewegung verbundenen Spanischen Gesellschaft für europäische Zusammenarbeit
•    1962: Eintritt in die Democracia Social Cristiana
•    1972: Mitglied des Vorstands des Equipo Demócrata Cristiano del Estado Español (Gruppierung spanischer christlich-demokratischer Parteien)
•    1977: Mitglied der Democracia Cristiana Española; Inhaber von Ämtern mit Europabezug
•    1989–2004: Mitglied des Europäischen Parlaments
•    1990–2004: Mitglied des Präsidiums der Europäischen Volkspartei und des Vorstands der spanischen Volkspartei
•    1999–2005: Präsident der Europäischen Bewegung International
•    1993–1994: Vorsitzender des Institutionellen Ausschusses des Europäischen Parlaments
•    1994–1997: Vizepräsident des Europäischen Parlaments
•    1997–1999: Präsident des Europäischen Parlaments
•    2002–2004: Vorsitzender der Delegation im Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU-Bulgarien
•    2006–2010: Vorsitzender des Vereins der ehemaligen Mitglieder des Europäischen Parlaments

Was sich im Archiv befindet

Das Archiv des Kabinetts von José María Gil-Robles Gil-Delgado (1997–1999) umfasst über 10 600 Elemente in über 800 Akten, die sich auf die einzelnen während der Amtszeit des Präsidenten behandelten Verfahren beziehen. Die Akten sind nach den verschiedenen Tätigkeitsbereichen des Kabinetts des Präsidenten geordnet und bilden vier Seriengruppen (administrative und rechtliche Aufgaben, politische Aufgaben – aufgeteilt in interne Beziehungen und Außenbeziehungen –, und schließlich Bürgerpost), die wiederum in 20 Serien unterteilt sind.

Administrative und rechtliche Aufgaben

PE4 P2 A00/ADJU

Diese Seriengruppe enthält Dokumente betreffend die Beziehungen mit dem Generalsekretariat des Europäisches Parlaments, d. h. mit allen Generaldirektionen, und außerdem mit dem Juristischen Dienst. Zwei weitere Serien beziehen sich erstens auf Finanzressourcen (Mittelbewirtschaftung und Haushaltsführung) und zweitens auf Immobilien (Strategie und Verwaltung).

Politische Aufgaben: Interne Beziehungen

PE4 P2 B00/RINT

Diese Seriengruppe umfasst die Serien zu den Beziehungen mit den verschiedenen politischen Organen des Parlaments wie dem Kollegium der Quästoren, den parlamentarischen Ausschüssen und Delegationen, den Fraktionen, den MdEP und schließlich seinem eigenen Kabinett.

Politische Aufgaben: Außenbeziehungen

PE4 P2 C00/REXT

Diese Seriengruppe besteht aus einer ersten Serie mit Bezug zur Tätigkeit des Präsidenten als Vertreter der Institution in ihren Außenbeziehungen, die vorwiegend Akten aus dem Bereich „Besuche und Öffentlichkeitsarbeit“ enthält. Die folgende Serie umfasst Dokumente die Beziehungen des Präsidenten mit den anderen Institutionen, Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft betreffend. Zu seiner Aufgabe als Vertreter des Parlaments gehören auch seine Beziehungen zu den Mitgliedstaaten und Drittländern, die sich in Schriftverkehr und Dokumenten im Zusammenhang mit offiziellen Besuchen und mit Beziehungen zu Parlamenten, Regierungen und Botschaften widerspiegeln. Die letzten beiden Serien betreffen Beziehungen, die mit internationalen Organisationen und Foren unterhalten wurden.

Bürgerpost

PE4 P2 C95/CITO

Die letzte organische Serie bezieht sich auf den Schriftverkehr, der chronologisch nach eingehender und ausgehender Post abgelegt wurde.

Reflexionen der Präsidenten des Europäischen Parlaments: José María Gil-Robles Gil-Delgado

Eine Präsidentschaft voller Ereignisse und Geschichten zusammenzufassen ist keine leichte Aufgabe. Einige Erinnerungen bewegen mich noch immer tief, etwa der Besuch des spanischen Königspaars im Parlament, der von Rafael Caldera, dem alten Freund aus den schweren Zeiten der Opposition gegen Franco oder die Anwesenheit von Familienangehörigen und engsten Freunden am Tag meiner Wahl. Hier soll es aber nicht um meine Gefühle gehen, sondern um all das, was für die Zukunft Europas und des Europäischen Parlaments wichtig ist.

Zum Vertrag von Amsterdam: Hierzu möchte ich zunächst auf die Verhandlungen über den Vertrag von Amsterdam eingehen: In den ersten fünf Monaten meiner Präsidentschaft hatte ich mir die Aufgabe gestellt, die Arbeit meines Vorgängers Klaus Hänsch fortzusetzen, und stattete zu diesem Zwecke vierzehn Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten Besuche ab. Das war sehr anstrengend, versetzte mich jedoch in die Lage, auf dem informellen Treffen von Noordwijk einen Standpunkt des Parlaments zu formulieren, der von den Staats- und Regierungschefs positiv aufgenommen wurde und dazu beitrug, dass die Verhandlungen aus der Sackgasse herauskamen. Nachdrücklich möchte ich erwähnen, dass ich mit der niederländischen Präsidentschaft jederzeit eng zusammenarbeitete und dass im Ergebnis dieser Zusammenarbeit und Kraftanstrengung das Europäische Parlament und die Demokratie gestärkt aus Amsterdam hervorgingen.

European Parliament President Gil-RoblesEP-Präsident José María Gil-Robles Gil-Delgado bei der Unterzeichnung des Vertrages von Amsterdam am 2. Oktober 1997 © Europäische Gemeinschaften

Zur Einführung des Euro: Der zweite entscheidende Augenblick, an den ich erinnern möchte, war die Entscheidung im Europäischen Parlament über die Einführung des Euro in elf Mitgliedstaaten. Das war eine feierliche Sitzung, die in den Medien starke Beachtung fand. Am selben Tag – dem 2. Mai 1998 – ernannte der Europäische Rat nach zähen und schier endlosen Verhandlungen den ersten Präsidenten der Europäischen Zentralbank. Dem Parlament oblag es, den ernannten Präsidenten einer Prüfung zu unterziehen, und es nutzte die (wegen der Schwierigkeiten bei seiner Ernennung) geschwächte Position Duisenbergs, um im Gegenzug für seine Unterstützung die Verpflichtung des gerade ernannten Präsidenten einzufordern, regelmäßig vor dem Parlament zu erscheinen und über die Entwicklung der Bank zu berichten.

Sowohl Wim Duisenberg als auch später Jean-Claude Trichet sind dieser Verpflichtung gewissenhaft nachgekommen. Dadurch war es dem Parlament möglich, seine Kontrolle so auszuüben, dass die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank vollständig gewahrt blieb.

Lässt man diese Ereignisse zehn Jahre später Revue passieren, so kann einmal mehr festgestellt werden, dass sich die Schwarzseher damals irrten. Ein Kompromiss ist niemals eine geniale Lösung, doch bot er damals wie auch in späteren Zeiten, als der europäische Aufbau ins Stocken geriet, die Gelegenheit voranzukommen. Die Ergebnisse sind sichtbar: Die Europäische Zentralbank hatte zwei ausgezeichnete Präsidenten, die die Unabhängigkeit und Effizienz der Bank erfolgreich bewahrt haben. Und der Euro hat sich zu einer Währung ersten Ranges entwickelt, der von den Europäern als ihre Einheitswährung akzeptiert wurde.

Zum Rücktritt der Kommission: Der dritte entscheidende Augenblick, der Erwähnung finden muss, war die Entscheidung des Parlaments, sein Recht auf Kontrolle der Kommission geltend zu machen – eine Entscheidung, die den Rücktritt der Kommission nach sich zog. Das war für mich ein spannungsgeladener und besonders unangenehmer Vorgang, weil ich Jacques Santer und anderen Mitgliedern der Kommission, insbesondere Marcelino Oreja, freundschaftlich verbunden war und ihnen ideologisch nahe stand. Doch für die Zukunft des Europäischen Parlaments war das ein einschneidender Moment.

Seit Maastricht muss die Kommission das Vertrauen des Parlaments haben. Santer selbst hatte es so in seiner Antrittsrede formuliert. Doch in der Kommission überwog damals die Überzeugung, dass sie nicht nur gegenüber den nationalen Interessen, sondern auch gegenüber dem Parlament unabhängig sein müsse.

European Parliament President Gil-RoblesKommissionspräsident Jacques Santer (rechts) präsentiert dem EP-Präsidenten José María Gil-Robles Gil-Delgado (links) die Agenda 2000 © Europäische Union 1997 – Europäisches Parlament

Die erste Folge dieser Entwicklung war, dass die Kommission sich nicht gegen die parlamentarische Versammlung stellen kann, deren Vertrauen sie jederzeit genießen muss. Romano Prodi hat das ganz klar gesehen und traf mit dem Parlament die Absprache, dass dieses den Rücktritt eines jeden Kommissars verlangen könnte, wenn es ihm kein Vertrauen mehr entgegenbringt. Als es um Rocco Buttiglione ging, handelte auch Barroso in diesem Sinne. Daher war das eine ausschlaggebende Etappe in der Entwicklung des parlamentarischen Systems.

Die zweite Folge war, dass die Kommission eine grundlegende innere Reform vornahm, um ihre Kontrollmechanismen zu verstärken, so wie es die unabhängige Expertenkommission gefordert hatte. Das war ein Gewinn für die Bürger Europas.

Die dritte, weniger offenkundige Folge liegt meiner Meinung nach ebenso auf der Hand: Es geht dabei um die Bestrebungen, aus der Kommission ein technisches Sekretariat des Rates zu machen – eine oft geäußerte Forderung derer, die die Europäische Union auf eine intergouvernementale Organisation reduzieren möchten. Nach meiner Auffassung wurde dieser Forderung eine Abfuhr erteilt. Ein Organ, dessen Macht auf dem Vertrauen des Parlaments beruht, ist keine rein technische Instanz und kann es auch nicht sein. Es ist ein politisches Organ, dem die Parlamentsmehrheit ein enormes Kraftpotenzial verleiht – natürlich muss man davon Gebrauch machen wollen. Eine Exekutive, die das Vertrauen des Parlaments genießt, kann ein politisches Führungsinstrument oder eine Marionette sein; das hängt ganz vom Willen und der Entschlossenheit ihrer Mitglieder ab.

Die vierte Folge ergibt sich aus dem Rücktritt, hat aber große Bedeutung für die Zukunft: dass nämlich die Forderung nach einer Zweidrittelmehrheit für den Erfolg eines Misstrauensvotums nicht ausreicht, um die Kommission gegen die einfache parlamentarische Mehrheit und ohne Vertrauen am Leben zu erhalten. Die Zweidrittelmehrheit ist ein Anachronismus, ein Überbleibsel aus den Zeiten, als die Kommission allein von den Regierungen der Mitgliedstaaten ernannt wurde. Seit die Ernennung der Kommission der Bestätigung durch die Mehrheit des Parlaments bedarf, muss diese zurücktreten, wenn ihr das Vertrauen entzogen wird, und zwar auch dann, wenn keine Zweidrittelmehrheit, sondern nur eine einfache Mehrheit zustande kommt.

Zu weiteren Dimensionen der Präsidentschaft: Natürlich beschränkte sich meine Präsidentschaft nicht nur auf diese Schlüsselmomente. Es gab auch noch viele andere Dinge:

• die parlamentarischen Beziehungen zu den zwölf Staaten, die schließlich der Europäischen Union beitraten;
• das Entstehen der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer;
• meine Besuche in den Mitgliedstaaten der Union und in Russland, Venezuela, Chile, Argentinien, Uruguay, Mexiko, Guatemala und Honduras;
• sowie im Rahmen meiner Aufgaben innerhalb des Parlaments: die Fertigstellung und Eröffnung der Gebäude in Brüssel, die Fertigstellung des Gebäudes in Straßburg und die Erneuerung der Spitzen der Parlamentsverwaltung.

European Parliament President Gil-RoblesEP-Präsident José María Gil-Robles Gil-Delgado trifft den 1. stellvertretenden Vorsitzenden der Duma und stellvertretenden Vorsitzenden des parlamentarischen Ausschusses für die Zusammenarbeit EU-Russland, Wlladimir Ryschkow. © Europäische Gemeinschaften 1998 – Europäisches Parlament 

Erwähnen könnte ich auch noch die besonders komplizierten Verhandlungen über die Finanzielle Vorausschau 1999-2006, die Aufnahme der Tätigkeit von OLAF (des Amts für Betrugsbekämpfung) oder den Beginn der Verhandlungen über das Statut der Mitglieder (für dessen Aufnahme in den Vertrag von Amsterdam ich mich persönlich einsetzte).

Schließlich sei unter anderem auch noch der Versuch genannt, ein Eingreifen der Union im Kosovo zu erreichen, um den Völkermord zu verhindern (ein Versuch, der ohne Erfolg blieb).

Das ist jedoch nicht der Augenblick, ins Detail zu gehen. Vielmehr möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsverwaltung und meines Büros für ihre Unterstützung und Mitarbeit danken. Ohne sie hätte ich das alles nicht tun können.

European Parliament President Gil-Robles Signature