Vertrag von Paris


Am 9. Mai 1950 schlug Robert Schuman um 18.00 Uhr die Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vor. Er sprach mit einigen Pressevertretern im Salon de l’Horloge im Quai d’Orsay, dem Sitz des französischen Außenministeriums in Paris. Da die Presse erst in letzter Minute informiert worden war, wurde die Erklärung zunächst weder auf Fotos dokumentiert noch waren Radio- oder Fernsehreporter zugegen. So war Schuman gezwungen, seine Erklärung ein zweites Mal vorzutragen, damit sie für die Nachwelt festgehalten werden konnte.

Von diesem Moment an verbreiteten sich die Neuigkeiten über die Schuman-Erklärung – oder über die „Schuman-Bombe“, wie sie auch scherzhaft genannt wurde – wie ein Lauffeuer in ganz Westeuropa. Wie von Schuman und seinem Kollegen Jean Monnet beabsichtigt, löste die Erklärung eine Schockwelle aus, die den europäischen Integrationsprozess zügig in Gang setzte.

Robert Schuman sits in the Salon de l'Horloge in 1950Robert Schuman im Salon de l’Horloge, 1950, © Europäische Gemeinschaften 1950–1959

Der Vertrag von Paris, das förmliche Abkommen, das auf dieser Erklärung basierte, wurde ein knappes Jahr später, am 18. April 1951, unterzeichnet. Sechs Länder – Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande – schlossen sich in diesem Abkommen zusammen, um den freien Verkehr von Kohle und Stahl zu organisieren und freien Zugang zu Produktionsquellen zu gewähren. Das Ergebnis war die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), aus der sich mit der Zeit die Organe und Einrichtungen der Europäischen Union, so wie wir sie heute kennen, entwickelten.

Aber warum eine Gemeinschaft für Kohle und Stahl? Vordergründig bestand der Zweck der EGKS darin, den Markt und die Einhaltung der Wettbewerbsregeln zu überwachen und für Preistransparenz zu sorgen. Und tatsächlich tat sie das auch über die ganzen vierzig Jahre ihres Bestehens hinweg (ab 2002, als der Vertrag auslief, wurden die Vorschriften für die Kohle- und Stahlbranche in die Römischen Verträge, die die Europäische Gemeinschaft begründeten, integriert).

Doch der EGKS lagen auch die Lehren aus der Vergangenheit und eine Zukunftsvision zugrunde. Nur sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wussten die Gründer der EGKS natürlich um die Bedeutung einer Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern. So steht in der Schuman-Erklärung beispielsweise: „Die Solidarität der Produktion, die so geschaffen wird, wird bekunden, dass jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich ist.“ Und so war es nur logisch, dass die Einrichtungen der EGKS nicht nur die Kohle- und Stahlindustrie im Auge behielten. Letztlich ebnete der Vertrag von Paris den Weg für eine weitere wirtschaftliche Integration Europas und für die Einrichtung weiterer Gemeinschaftsorgane. Er war der Vorläufer der Römischen Verträge von 1957 und wird weithin als erster Schritt auf dem Weg zur europäischen Integration angesehen.

70. Jahrestag der Schuman-Erklärung, © Europäische Union