Die Menschen hinter den Namen der Gebäude des Europäischen Parlaments: Paul-Henri Spaak


European Parliament Spaak Building, BrusselsLuftaufnahme des Paul-Henri-Spaak-Gebäudes in Brüssel © Architekten: Vandenbossche SPRL, CRV S.A., CDG S.P.R.L., Studiegroep D. Bontinck; Fassade und Plenarsaal © Arch M. Boucquillon Belgium; Bild © Europäische Union 2019 – Europäisches Parlament

Visionär, großer Staatsmann, belgischer Ministerpräsident

Wie viele andere Wegbereiter der heutigen Europäischen Union begann auch Paul-Henri Spaak seine politische Karriere in jungem Alter in den turbulenten Zeiten des frühen 20. Jahrhunderts. Er wurde 1899 im belgischen Schaerbeek geboren und wuchs in einer Familie aus Literaten und Politikern auf. Er ging jedoch nicht in die Politik, weil sein Vater oder ein anderer Mann ihn davon überzeugten, wie es bei vielen anderen Politikern dieser Zeit der Fall war. Stattdessen folgte er dem Beispiel seiner Mutter.

Im Jahr 1921 wurde seine Mutter Marie Janson als erste Frau Mitglied des belgischen Parlaments. Sie kandidierte für die Belgische Arbeiterpartei (POB) – eine eindeutige Abwendung von der liberalen Überzeugung ihrer Familie. Auch Spaak entschloss sich, wie seine Mutter der Belgischen Arbeiterpartei beizutreten. Von da an teilten Mutter und Sohn ihre politische Zugehörigkeit. Sie blieben der Partei auch nach dem Zweiten Weltkrieg treu, als sie als Belgische Sozialistische Partei wiederbegründet wurde.

European Parliament Spaak Building, Brussels
Das Paul-Henri-Spaak-Gebäude © Association des Architectes du CIC: Vandenbossche SPRL, CRV S.A., CDG S.P.R.L., Studiegroep D. Bontinck; Bild © Europäische Union – Europäisches Parlament

Die Anfänge seiner politischen Karriere

Viele Wegbereiter der EU gerieten wegen ihres Widerstands gegen totalitäre Regime in Gefangenschaft – so auch Spaak. Während des Ersten Weltkriegs gab er ein falsches Alter an, um in die belgische Armee einzutreten. Er geriet jedoch in deutsche Kriegsgefangenschaft und verbrachte zwei Jahre in einem Gefangenenlager. Nach 1918 studierte er Rechtswissenschaften an der Freien Universität Brüssel. Nach Abschluss seines Studiums wurde er in die Anwaltskammer Brüssels aufgenommen.

Seine politische Karriere begann 1932. Er repräsentierte die junge und pazifistische Generation der Arbeiterpartei, die sich gegen die politische Elite stellte. Mit seiner Wahl zum Abgeordneten für Brüssel 1932 wurde er zum politischen Gegner seines liberalen Onkels Paul-Émile Janson. Von 1935 bis 1936 war er Minister für Post und Verkehr. Anschließend bekleidete er das Amt des Außenministers und von Mai 1938 bis Februar 1939 das des Ministerpräsidenten. Nachdem das Vereinigte Königreich und Frankreich in den Krieg eingetreten waren, musste er dieses Amt niederlegen. In der Regierung der „nationalen Einheit“ unter Hubert Pierlot wurde er erneut zum Außenminister ernannt und blieb es auch in der belgischen Exilregierung, die im Oktober 1940 in London zusammentrat.

Nachdem er 1944 nach Brüssel zurückgekehrt war, hatte er in den Nachkriegsregierungen mehrfach das Amt des Außenministers und das des Ministerpräsidenten inne. Er war eine treibende Kraft für die Teilhabe Belgiens am Marshallplan und die Gründung des Europarats. Im Jahr 1945 begann Spaak seine internationale politische Karriere als Vorsitzender der ersten Generalversammlung der Vereinten Nationen. 1956 wurde er Generalsekretär der NATO.

Paul Henri Spaak, Belgium's Premier and Foreign MinisterPaul-Henri Spaak, Ministerpräsident und Außenminister Belgiens, 19. Juli 1948 © AP 1948 – Verbreitung des Bildes nicht gestattet / Europäische Kommission / Europäisches Parlament

Sein Beitrag für Europa

Paul-Henri Spaaks Vorstellung von europäischer Zusammenarbeit machte ihn zum Pionier der europäischen Einigung. Obwohl Europa nach dem Zweiten Weltkrieg zu großen Teilen in Trümmern lag, sah er die Chance, es durch wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit wieder zu einem starken Kontinent zu machen. Er erkannte das Potenzial eines geeinten Nachkriegseuropas. Während seines Exils in London arbeitete er mit seinen Amtskollegen aus den Niederlanden und Luxemburg zusammen. Das Ergebnis war die Bildung der Benelux-Zollunion 1944. Sie war ein leuchtendes Beispiel für ein länderübergreifendes Bündnis, hervorgegangen aus einer einfachen Idee, die zuvor jedoch nie erwogen oder verwirklicht worden war. Innerhalb der Grenzen der drei Staaten war somit der freie Verkehr von Geld, Personen, Waren und Dienstleistungen möglich – ein weiterer Impuls für die europäische Einigung.

Anfang der 1950er Jahre war Spaak Präsident der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im Jahr 1954 war für ihn eine große Enttäuschung. Gemeinsam mit Jean Monnet und seinen Amtskollegen aus den Niederlanden und Luxemburg befasste er sich mit der Frage, wie man Europa wieder stärken könnte.

1955 wurde er auf der Konferenz von Messina zum Vorsitzenden eines Ausschusses ernannt, der sich mit der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Markts und der Integration in den Bereichen Verkehr und Energie auseinandersetzen sollte. Der „Spaak-Ausschuss“ stellte einen Bericht vor, der die Grundlage für die Verhandlungen über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) bildete. Am 25. März 1957 unterzeichnete Spaak für Belgien die Römischen Verträge, durch die die EWG und die Euratom gegründet wurden.

Nach seiner Amtszeit als Generalsekretär der NATO wurde Spaak 1961 erneut Außenminister Belgiens. Er befürwortete den Beitritt des Vereinigten Königreichs zu den Europäischen Gemeinschaften und sprach sich gegen die Europapolitik des französischen Präsidenten Charles de Gaulle aus. „Das Europa von morgen muss ein supranationales Europa sein“, erklärte er und setzte damit ein klares Zeichen gegen den von einigen Politikern vertretenen Nationalismus.

In den Geschichtsbüchern findet Spaak als treibende Kraft der europäischen Einigung Erwähnung. Er glaubte fest an das Projekt Europa – und das lange vor dem tatsächlichen Beginn der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit.

European Parliament Spaak Building, BrusselsDas Paul-Henri-Spaak-Gebäude © Association des Architectes du CIC: Vandenbossche SPRL, CRV S.A., CDG S.P.R.L., Studiegroep D. Bontinck; Bild © Europäische Union – Europäisches Parlament