Die Menschen hinter den Namen der Gebäude des Europäischen Parlaments: Louise Weiss


European Parliament Weiss Building, Strasbourg

Gebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg – Spiegelung des Louise-Weiss-Gebäudes – Herbst © Europäische Union 2017 – Europäisches Parlament

Die Frau, deren Namen das Parlamentsgebäude in Straßburg trägt: eine leidenschaftliche Vorkämpferin für Frauenrechte und Europäerin mit Leib und Seele

Vielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt, wer sich eigentlich hinter den Namen der Parlamentsgebäude verbirgt.

Tatsächlich sind es viele Männer, aber nur wenige Frauen. Und doch spielten Frauen seit der Gründung des Parlaments immer wieder eine Schlüsselrolle für Europa. Deshalb ist Louise Weiss die erste Persönlichkeit, die wir Ihnen in dieser Reihe vorstellen möchten. Sie war Schriftstellerin und Aktivistin, aber vor allem war sie eine der wichtigsten Wegbereiterinnen der europäischen Sache.

European Parliament Weiss Building, StrasbourgDas Europäische Parlament im Frühling. Kirschblüten – Louise-Weiss-Gebäude in Straßburg © Europäische Union 2016 – Europäisches Parlament Louise-Weiss-Gebäude © Architecture Studio

Eine europafreundliche Journalistin

Geboren wurde sie als Tochter einer aus dem Elsass stammenden Familie – zu einer Zeit, in der es Frauen kaum möglich war, ihren Wunschberuf auszuüben. Grund hierfür war die patriarchalische Gesellschaft: Die Kompetenzen von Frauen wurden kaum anerkannt und man traute ihnen auch nicht zu, in wichtigen Positionen arbeiten zu können. Aus Liebe zur Literatur wandte sie sich dem Journalismus zu. Das war jedoch erst der Beginn ihrer langen und beeindruckenden Karriere.

Im Jahr 1918 war sie Mitbegründerin der Wochenzeitschrift „L’Europe nouvelle“. Von 1922 bis 1934 war sie Herausgeberin der Zeitschrift. In der Zeitschrift schrieb sie über pazifistische Ideen und den Wunsch nach Frieden in den mitteleuropäischen Staaten, die nach dem Ersten Weltkrieg große Umwälzungen erlebten.

Weiss verband eine langjährige Freundschaft mit Jean Monnet. Ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Zeitschrift knüpften Kontakte mit Intellektuellen und Persönlichkeiten aus Politik und Industrie, wodurch „L‘Europe nouvelle“ zu einer dynamischen Plattform wurde. Dank ihr erfuhr die Bevölkerung von den damaligen Bemühungen des Völkerbundes um ein geeintes Europa. Im Jahr 1930 gründete Louise Weiss in Paris die „Nouvelle École de la Paix“, die neue Schule des Friedens, die Kurse und Konferenzen über aktuelle internationale Angelegenheiten veranstaltete und Veröffentlichungen zu dem Thema publizierte.

Sie verließ „L’Europe nouvelle“ für eine Zeit lang. Als sie zurückkehrte, war sie entschlossener denn je, für sich selbst einzustehen. Sie widmete ihr Leben dem langen Kampf für Frauenrechte. Ihre Worte werden wohl ewig in Erinnerung bleiben: „Ich fordere, dass mir die 750 Francs pro Monat gezahlt werden, die mir versprochen wurden [...] und die ich nie bekommen habe. Ich fordere eine Stimme im Verwaltungsrat, den Posten der Chefredakteurin, die Kontrolle über Abonnements, und das Recht, die Buchhaltung einzusehen.“ Das alles hat sie erreicht.

Sie war eine leidenschaftliche Feministin, die sich ihr Leben lang dem Kampf für Frauen verschrieb und sich Gehör verschaffte. Ihre Worte klingen bis heute nach.

MEP Louise WeissParlamentsabgeordnete Louise Weiss während einer Sitzung in Straßburg im März 1980 © Europäische Gemeinschaften 1980

1979 ins Europäische Parlament gewählt

Erst Jahre später – nach dem Zweiten Weltkrieg und während der Anfänge der heutigen Europäischen Union – wurde Louise Weiss ins Europäische Parlament gewählt. Nach den ersten allgemeinen Direktwahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 1979 nahm sie ihren Sitz als Abgeordnete ein.

Als langjährige und bekannte Verfechterin der Europäischen Einigung wurde sie stark umworben – so auch von der französischen Partei „Rassemblement pour la République“ (RPR, Zusammenschluss für die Republik), die ihr einen Spitzenplatz auf ihrer Liste anbot.

Louise Weiss wurde eine besondere Ehre zuteil: Als ältestes Mitglied des Parlaments hielt sie die Eröffnungsrede im Plenarsaal. Außerdem übernahm sie bei der ersten Präsidentschaftswahl des direkt gewählten Europäischen Parlaments den Vorsitz. Bei dieser Wahl ging Simone Veil, eine weitere außergewöhnliche Frau, als Siegerin hervor. Das war ein großer Triumph für Frauen, denn er bedeutete auch die Abkehr von traditionellen Ansichten.

Das Gebäude

Ein Beschluss des Präsidiums von 1998 legt fest, wie die Parlamentsgebäude benannt werden. Die Gebäudenamen sollen wichtige verstorbene Persönlichkeiten ehren, die zu Lebzeiten für Menschenrechte eintraten oder den europäischen Einigungsprozess bzw. eine gemeinsame europäische Kultur förderten.

Mit demselben Beschluss entschied das Parlament außerdem, sein Hauptgebäude in Straßburg, das vorher IPE4 (Immeuble pour les parlementaires européens 4 – MEP-Gebäude 4) genannt wurde, fortan nach Louise Weiss zu benennen. Das Gebäude am Ufer der Ill (des Flusses, der durch die Stadtmitte Straßburgs fließt) zeichnet sich durch seine abgerundete Form und seinen zeitgenössischen Stil aus. Es wurde 1999 eingeweiht, jedoch mit den ab 2004 geplanten Erweiterungen der Europäischen Union im Blick.

European Parliament Weiss Building, StrasbourgGebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg © Europäische Union 2012 – Europäisches Parlament; Louise-Weiss-Gebäude © Architecture Studio