Die Menschen hinter den Namen der Gebäude des Europäischen Parlaments: Willy Brandt


European Parliament Brandt Building, BrusselsGebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel – Außenansicht – Brandt-Gebäude © Europäische Union 2021 – Europäisches Parlament

Der deutsche Kanzler, der für seine offene Ostpolitik den Friedensnobelpreis erhielt

Willy Brandt wurde unter dem Namen Herbert Ernst Karl Frahm in Lübeck geboren. Sein Vater war der Lehrer John Möller, doch Herbert nahm dessen Namen nie an. Er versuchte auch nicht, seinen Vater ausfindig zu machen. Stattdessen behielt er den Familiennamen seiner Mutter, Martha Frahm, die bei seiner Geburt erst 19 Jahre alt war. Ludwig Frahm, Marthas Stiefvater, war aktives Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Ludwig führte Herbert an die Politik heran: 1929 trat er der Sozialistischen Arbeiter-Jugend bei – einem Jugendverband der SPD. Nachdem sich die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) von der SPD abgespalten hatte, schloss Herbert sich 1931 dem Sozialistischen Jugendverband der SAPD an.

Als Adolf Hitler 1933 an die Macht kam, nahm Herbert Frahm das Pseudonym Willy Brandt an, um an einer illegalen Parteisitzung teilzunehmen. Wenig später musste er aus dem nationalsozialistischen Deutschland fliehen. Er reiste über Dänemark nach Norwegen, wo er vorerst blieb.

European Parliament Brandt Building, BrusselsDer Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel im Sommer – Brandt-Gebäude © Europäische Union 2020 – Europäisches Parlament

Ins Exil gezwungen

Im Herbst 1934 gab sich Brandt als norwegischer Student aus und reiste unter dem Namen Gunnar Gaasland heimlich nach Deutschland. In den späten 1930er-Jahren arbeitete er als Journalist und berichtete über den Krieg in Spanien. Als das nationalsozialistische Regime ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannte, beantragte er die norwegische Staatsbürgerschaft. 1940 wurde sie ihm verliehen. Im selben Jahr nahmen ihn die deutschen Besatzungstruppen in Norwegen fest. Wegen seiner norwegischen Uniform erkannten sie ihn jedoch nicht als Deutschen. Er floh ins neutrale Schweden, wo er bei der norwegischen Botschaft in Stockholm einen Reisepass erhielt. Bis zum Ende des Krieges blieb er in Schweden. Danach kehrte Brandt nach Deutschland zurück, um als Korrespondent der skandinavischen Presse an den Nürnberger Prozessen teilzunehmen. Anschließend arbeitete er als Pressereferent bei der norwegischen Botschaft. Von da an blieb er in Deutschland.

MEP Willy Brandt during a Plenary SessionDer Abgeordnete Willy Brandt bei einer Sitzung in Straßburg im November 1981 © Europäische Gemeinschaften 1981 – Europäisches Parlament

Wieder zu Hause

1946 zog Brandt wieder nach Berlin. Seine deutsche Staatsbürgerschaft bekam er 1948 zurück. Wenig später wählte man ihn in den Bundestag und schließlich zum Bürgermeister Berlins. Die damalige Zeit war turbulent, für die deutsche Hauptstadt wie für das ganze Land. 1961 – während Brandts Amtszeit – wurde die Berliner Mauer errichtet. Brandt verurteilte den Mauerbau scharf.

Im selben Jahr trat Willy Brandt als Kandidat der SPD zur Wahl zum Bundeskanzler an. Er wurde jedoch von einem bekannten Landsmann knapp geschlagen: Konrad Adenauer. In den darauffolgenden Jahren bemühte sich Brandt wiederholt um das Kanzleramt. Doch Erfolg hatte er erst 1969, als seine Partei eine Koalition mit der CDU einging. Seine Wahl war ein Wendepunkt für Deutschland: Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Bundesrepublik hatte das Land einen sozialdemokratischen Kanzler.

Brandts Außenpolitik

Die Außenpolitik Willy Brandts war als Ostpolitik bekannt. Im Mittelpunkt standen dabei die DDR und Osteuropa. Obwohl seine Ostpolitik damals sehr umstritten war, würde sie ihn später berühmt machen und ihm sogar den Nobelpreis bringen. Brandt war es sehr wichtig, Deutschlands Platz in Europa zu sichern. Das galt vor allem für Fragen zur Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft und die Entspannung der Beziehungen mit mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten. Auch für Freiheit in Berlin und die deutsche Wiedervereinigung setzte er sich ein. Den Plänen zu einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft stand Brandt allerdings skeptisch gegenüber.

Mit der Zeit sollten die Eckpfeiler von Brandts Ostpolitik, die er in den 60er- und 70er-Jahren festgelegt hatte, nach und nach Wirklichkeit werden: die Wiedervereinigung Deutschlands, die Gründung einer europäischen Union und das Miteinbeziehen mittel- und osteuropäischer Staaten in den europäischen Einigungsprozess nach dem Fall der Berliner Mauer.

Willy Brandt war von 1979 bis 1983 Abgeordneter im Europäischen Parlament – und eines der Parlamentsgebäude in Brüssel trägt heute seinen Namen.

European Parliament Brandt Building, BrusselsDer Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel im Sommer – Brandt-Gebäude © Europäische Union 2020 – Europäisches Parlament