Die Menschen hinter den Namen der Gebäude des Europäischen Parlaments: Václav Havel


European Parliament Havel Building, StrasbourgGebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg – Havel-Gebäude © Europäische Union 2017 – Europäisches Parlament

Eine treibende Kraft gegen den Kommunismus in Europa

Václav Havel war eine vielseitige Persönlichkeit: Dramatiker und Schriftsteller, Philosoph und Dissident, Politiker und Staatsmann. Havel wurde am 5. Oktober 1936 in eine einflussreiche Unternehmerfamilie geboren, die unter anderem ein Filmstudio besaß. Doch 1948 sollte sich alles ändern. Als die Kommunisten die Macht übernahmen, wurden seine Eltern ihres gesamten Vermögens beraubt. Man beschuldigte sie der Kollaboration mit den Nationalsozialisten und zwang sie, in dem Unternehmen zu arbeiten, das sie selbst gegründet hatten. Das Regime bezeichnete Havel als Klassenfeind und verwehrte ihm das Studium. Nach Abschluss der Ausbildung arbeitete er als Chemielaborant und machte sein Abitur im Fernstudium. Nachdem er mehrere Texte über Literatur und Film veröffentlicht hatte, bewarb er sich an einer Filmhochschule, wurde aber abgelehnt. Seine erste Begegnung mit dem Theater hatte Havel während seines zweijährigen Grundwehrdienstes, nach dessen Ableistung er sich an der Akademie der musischen Künste bewarb. Erneut abgelehnt, gelang es ihm dennoch, Jahre später im Fernstudium ein Theaterstudium abzuschließen.

In den späten 1950er-Jahren tauchte er schließlich als Bühnenarbeiter und Lichttechniker in die Welt des Theaters ein – eine Welt, die ihn schon in jungen Jahren fasziniert hatte. Zu dieser Zeit lernte er seine zukünftige Ehefrau kennen, die Schauspielerin Olga Havlová. Nachdem er bereits verschiedene Kritiken und Zeitungsartikel über die Welt des Theaters geschrieben hatte, schrieb und inszenierte er nun endlich seine ersten eigenen Stücke. In seiner Arbeit warb er geschickt für demokratische Werte und ließ die absurden und kafkaesken Aspekte der menschlichen Identität subtil einfließen.

European Parliament Havel Building, StrasbourgAußenansicht des Havel-Gebäudes in Straßburg © Europäische Union 2017 – Europäisches Parlament – CABINET ARCHITECTES IDOM

Der Prager Frühling

Nach und nach machte sich Václav Havel als Theaterproduzent einen Namen. Mit der steigenden Beliebtheit seiner Stücke bei der geistigen Elite des Landes zogen seine Stücke auch zunehmend die Aufmerksamkeit der Zensoren auf sich. 1971 wurden sie schließlich offiziell verboten. Doch seine Arbeit hatte bereits mit der Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei eine neue politische Dimension angenommen.

Václav Havel stand zu seinen Überzeugungen: Anstatt aus dem Land zu fliehen, wurde er zum Dissidenten. In einem offenen Brief an den Präsidenten der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik wies er auf die kritische Lage der Gesellschaft hin und machte das politische Regime dafür verantwortlich. Auch über die Grenzen der Tschechoslowakei hinweg war Havel als Menschenrechtsaktivist bzw. Mitverfasser des 1977 erschienenen Manifests „Charta 77“ bekannt, und für die gleichnamige Bewegung wurde er einer der wichtigsten Sprecher. In dem Manifest erinnerte Havel die kommunistische Führung des Landes an ihre Menschenrechtsverpflichtungen, die sie mit der Unterdrückung und sogenannten Normalisierung der tschechoslowakischen Gesellschaft verletzte.

Wie viele andere politische Gegner wurde auch Havel inhaftiert. Insgesamt verbrachte er vier Jahre in Haft. In dieser Zeit schrieb er die berühmten „Briefe an Olga“, seine Ehefrau.

Václav HavelBesuch von Václav Havel, Präsident der Tschechischen Republik © Europäische Gemeinschaften 2000

Die Samtene Revolution

Als führender politischer Dissident war Václav Havel bald allgemein bekannt. Seine Beliebtheit brachte ihn 1986 an die Spitze des Občanské Fórum (Bürgerforum), einer politischen Bewegung, in der Dissidenten und demokratische Denker zusammenkamen. Die Anwesenheit Havels und seine Reden zogen bei Versammlungen ein immer größeres Publikum an. Er wurde zu einer Schlüsselfigur der Samtenen Revolution, die im Dezember 1989 zu der friedlichen Auflösung des kommunistischen Regimes führte. 41 Jahre nach dem Staatsstreich, mit dem die kommunistische Partei an die Macht gekommen war, bekamen die Tschechoslowaken schließlich ihre Freiheit und die Demokratie zurück.

Václav Havel wurde daraufhin einstimmig zum Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik gewählt. Er reformierte die gesamte Verwaltung und bereitete damit das Land auf den Übergang zur Marktwirtschaft vor. Im Juli 1992 trat Havel jedoch zurück, denn er war gegen eine Trennung von Tschechen und Slowaken. Im Januar 1993 wurde er schließlich wiedergewählt – zum Präsidenten der mittlerweile unabhängigen Tschechischen Republik.

Er führte sein Land durch die Zeit des Übergangs zur Demokratie und zur Marktwirtschaft, und er begleitete es bei seinem Beitritt zur NATO im Jahr 1999. Havel legte sein Amt 2003 aus gesundheitlichen Gründen nieder. Zuvor bereitete er die Tschechische Republik jedoch noch auf die EU-Mitgliedschaft vor.

Späte Karriere

Václav Havel war im Ausland sehr beliebt, doch in seinem Heimatland bekam er immer weniger Unterstützung. Er mischte sich wiederholt in Regierungsangelegenheiten ein, was in politischen Kreisen zum Teil auf starke Ablehnung stieß. Kritisiert wurde Havel auch, weil er viele der Immobilien seiner Familie, die die Kommunisten verstaatlicht hatten, zurückbekam. Schließlich sorgte er für Verwunderung, als er nur kurz nach dem Tod seiner ersten Ehefrau die bekannte Schauspielerin Dagmar Veškrnová heiratete.

Das änderte jedoch nichts an Havels Ruf oder seinem historischen Vermächtnis. Trotz seines schlechten Gesundheitszustands setzte sich Václav Havel bis zu seinem Tod im Jahr 2011 weltweit für die Menschenrechte ein. Er wurde für sein literarisches und künstlerisches Schaffen vielfach ausgezeichnet und für seinen politischen Einsatz in seiner Heimat geehrt. Unter anderem erhielt Havel einen Tag nach dem Zusammenbruch des Kommunismus das Großkreuz der französischen Ehrenlegion, die UNESCO würdigte ihn 1990 für seinen Einsatz für Menschenrechte mit dem Simón-Bolívar-Preis, und für seinen Beitrag zur europäischen Einigung wurde ihm der Internationale Karlspreis zu Aachen verliehen. Außerdem ehrte man ihn mit dem Planetary Consciousness Award der Nichtregierungsorganisation Club of Budapest, dem Light of Truth Award der Menschenrechtsorganisation International Campaign for Tibet und dem Franz-Kafka-Preis, einem internationalen Literaturpreis. Václav Havel war darüber hinaus Träger von rund 40 Ehrendoktortiteln, die ihm von Hochschuleinrichtungen auf der ganzen Welt verliehen wurden.

Um Havels Einsatz für Menschenrechte und Demokratie zu würdigen, verlieh das Europäische Parlament im Juli 2017 einem seiner Gebäude in Straßburg seinen Namen.

European Parliament Havel Building, StrasbourgAußenansicht des Havel-Gebäudes in Straßburg © Europäische Union 2017 – Europäisches Parlament – CABINET ARCHITECTES IDOM