Die Einführung des Euro als einheitliche Währung der EU ist diesem ehemaligen deutschen Bundeskanzler geschuldet...
Nicht nur die Benennung des Zweig-Gebäudes nach Stefan Zweig ist noch nicht allzu lange her; auch die Benennung eines der Gebäude des Parlaments nach Helmut Kohl erfolgte erst vor relativ kurzer Zeit – und das, obwohl sein Name viel unmittelbarer mit Europa in Verbindung gebracht wird, als das bei Stefan Zweig der Fall ist. Im Februar 2019 wurde das Square-de-Meeûs-Gebäude (ehemals SQM-Gebäude) in Brüssel umbenannt und trägt nun den Namen des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers, der die Wiedervereinigung Deutschlands entscheidend vorantrieb und sich für die Einführung des Euro als einheitliche europäische Währung einsetzte.
„Kanzler der Einheit“
Helmut Kohl wurde 1930 geboren und war von 1982 bis 1998 deutscher Bundeskanzler. Wie Stefan Zweig war auch Helmut Kohl davon überzeugt, dass Europa dem amerikanischen Muster folgen und zu einer aus den Mitgliedstaaten bestehenden Föderation werden könnte – die Vereinigten Staaten von Europa. Diese Vision hatte er auch für sein eigenes Land: Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regierung Ostdeutschlands sprach er sich für die Wiedervereinigung Deutschlands aus. Seinem Kampf dafür verdankte er den Beinamen „Kanzler der Einheit“. Kohl sagte in diesem Zusammenhang immer wieder, dass die europäische Integration erst nach einer Wiedervereinigung Deutschlands vollendet werden könnte.
Leider hielt seine Popularität, die er aufgrund seiner Rolle bei der Wiedervereinigung erlangt hatte, nicht lange an, denn schon kurze Zeit später entstanden neue Probleme: Deutschland wurde von einer Rezession geplagt, und die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der steigenden Arbeitslosigkeit waren weitgehend unwirksam. Helmut Kohls Ansehen litt darunter stark. Dennoch konnte ihm sein Status als Vater der Deutschen Einheit nicht mehr genommen werden, und er wurde von allen Politikerkollegen sehr geschätzt. Als sein Tod bekannt gegeben wurde, sagte der ehemalige Präsident des Parlaments Antonio Tajani, Helmut Kohl sei ein Visionär und ein Staatsmann gewesen, der für die Aussöhnung und Einheit der Europäer gekämpft hatte.
Bundeskanzler Helmut Kohl bei der Gala anlässlich des 100. Geburtstags von Robert Schuman, einem der Gründungsväter der Europäischen Union © Europäische Gemeinschaften 1986
Vater des Euro
Helmut Kohl war seit frühester Jugend sehr pro-europäisch eingestellt und später maßgeblich beteiligt an der Einführung der Einheitlichen Europäischen Akte (deren Ziel der freie Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr in der Europäischen Gemeinschaft war), der Schaffung des Schengen-Raums – mit der Unterzeichnung der Schengener Übereinkommen 1985 – und der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht im Jahr 1992, mit dem die Europäische Union gegründet wurde. Zusammen mit François Mitterrand bildete er eines der symbolträchtigsten aller deutsch-französischen Duos.
Er blieb jedoch vor allem als einer der Gründerväter des Euro in Erinnerung, den er einer deutschen Bevölkerung „verkaufen“ konnte, die immer stark mit der Deutschen Mark verbunden war – einem Symbol der Macht ihres Landes. Helmut Kohl war davon überzeugt, dass eine Währungsunion zu einer politischen Union Europas führen würde.
Er sprach sich auch nachdrücklich für den Beitritt mittel- und osteuropäischer Länder zur EU und für die Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments aus.
Im Dezember 1998 wurde Helmut Kohl vom Europäischen Rat in Wien zum „Ehrenbürger Europas“ ernannt. Dies ist eine der höchsten Auszeichnungen der EU. Sie wird im Namen der gesamten Europäischen Union verliehen, um den Beitrag wichtiger Persönlichkeiten zum Erfolg der europäischen Integration anzuerkennen. Bisher wurden neben Helmut Kohl nur zwei weitere Personen zu Ehrenbürgern Europas ernannt: Jean Monnet im Jahr 1976 und Jacques Delors im Jahr 2015.
Am 1. Juli 2017 fand im Europäischen Parlament in Straßburg ein europäischer Trauerakt zu Ehren von Helmut Kohl statt, der am 16. Juni verstorben war.