Die Menschen hinter den Namen der Gebäude des Europäischen Parlaments: József Antall


European Parliament Antall Building, BrusselsGebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel – Außenansicht – Antall-Gebäude © Europäische Union 2021 – Europäisches Parlament

Eine legendäre Figur bei der Einigung Europas und im Kampf für die Demokratie

Obwohl das achtstöckige József-Antall-Gebäude des Parlaments seit 2008 genutzt wird, wurde es erst im März 2009 tatsächlich nach ihm benannt. Das Gebäude ist über eine kreisförmig verlaufende Fußgängerbrücke (den sogenannten „Skywalk“) mit dem Altiero-Spinelli-Gebäude und dem Willy-Brandt-Gebäude verbunden. Damit ist es eines der drei Gebäude rund um die Esplanade Solidarność 1980 im Herzen des Brüsseler Europaviertels. Es mag sein, dass über die Rolle József Antalls bei der europäischen Integration möglicherweise allgemein weniger bekannt ist als über die Rolle anderer prominenter europäischer Staatsmänner. Der ungarische Staatsmann, Lehrer, Bibliothekar und Historiker war nach der Wiederherstellung der Demokratie am 23. Mai 1990 der erste Regierungschef seines Landes.

Geboren wurde er 1932 in Budapest. In seiner Familie herrschte eine tiefe demokratische Überzeugung, und man hatte sich in der Vergangenheit politisch engagiert. Sowohl sein Vater und sein Großvater mütterlicherseits als auch sein Schwager verfolgten jeweils ähnliche Laufbahnen. Es war jedoch sein Vater, der ihn in das öffentliche Leben einführte und dem er seine Leidenschaft für die Politik zu verdanken hatte. Insbesondere legte er ihm sein Engagement für repräsentative Demokratie, Patriotismus und christliche moralische Werte in die Wiege.

European Parliament Antall Building, BrusselsGebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel – Außenansicht – Antall-Gebäude © Europäische Union 2021 – Europäisches Parlament

Gegen den politischen Strom

Im Alter von 16 Jahren träumte József Antall davon, Schriftsteller und Politiker zu werden. Auch von der Machtübernahme der Kommunisten im Jahr 1949 ließ er sich nicht von diesem Ziel abbringen. Er war davon überzeugt, dass das kommunistische System unmenschlich und zum Scheitern verurteilt sei. An der Universität, wo er Literatur studierte, wurde József Antall noch heftiger mit der kommunistischen Ideologie konfrontiert. Nach seinem Abschluss wurde er Bibliothekar und begann seine Laufbahn im Nationalarchiv, bevor er ab 1955 an einem Gymnasium unterrichtete. Aufgrund der politischen Ideen, für die er eintrat, geriet er in die Schusslinie des Regimes. Er trat für Pluralismus ein und forderte den Abzug der sowjetischen Truppen aus Ungarn und die Unabhängigkeit des Landes. Dafür wurde er 1959 suspendiert und mit einem Unterrichtsverbot belegt. Er schaffte es danach jedoch, einen Posten in der wissenschaftlichen Forschung zu ergattern. Dort gelang es ihm, sich einen Ruf zu machen und Direktor des Instituts für Medizingeschichte zu werden.

József AntallDer ungarische Ministerpräsident József Antall im Europäischen Parlament in Straßburg © Europäische Union 1991 – Europäisches Parlament

Rückkehr zu den Wurzeln

Nach mehreren Jahren abseits der Politik kehrte er in den 1980er Jahren in den politischen Ring zurück und schloss sich der politischen Protestbewegung an. Er erkannte schnell, dass es gemeinsam mit den beteiligten Minderheitsparteien nicht möglich sein würde, große Dinge zu erreichen. Er lehnte eine Reihe von Führungspositionen ab, denn er hatte ehrgeizige Ziele im Sinn. Er war davon überzeugt, dass nur eine Mitte-Rechts-Bewegung auf der Grundlage einer breiten Koalition in der Lage sein würde, die Linken und die Liberalen zu überwinden. Und genau eine solche Koalition versuchte er zu finden.

So wurde ein neues politisches Kräftefeld geschaffen. József Antall hatte den Vorteil, mit der Funktionsweise der europäischen Demokratien vertraut zu sein. So konnte er immer einen Kompromiss vorschlagen, wenn das erforderlich war, um Uneinigkeit zu verhindern und Verhandlungen zu retten, wenn es darum ging, gegen die Kommunistische Partei vorzugehen.

1989 führte er im Namen des Ungarischen Demokratischen Forums die politischen Verhandlungen mit der kommunistischen Regierung Ungarns, die zur Annahme einer demokratischen Verfassung am 23. Oktober führten.

Durch die Öffnung seiner Grenze zu Österreich für Flüchtlinge aus der DDR (Ostdeutschland) spielte Ungarn eine wichtige Rolle beim Fall des Eisernen Vorhangs. Im darauffolgenden Jahr wurde Antall zum ungarischen Ministerpräsidenten gewählt. Er war damit der erste demokratisch gewählte Ministerpräsident, nachdem sich sein Land vom sowjetischen Joch befreit hatte. So steuerte er den Übergang des Landes zu einer Marktwirtschaft und zu einer liberalen Demokratie. Er war an der Auflösung des Warschauer Pakts im Jahr 1990 beteiligt und führte sein Land in Richtung einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union und in der NATO. 1990 wurde Ungarn in den Europarat aufgenommen. Ein Jahr später unterzeichnete das Land ein Assoziierungsabkommen mit der EU und wurde 2004 Vollmitglied der EU.

European Parliament Antall Building, BrusselsGebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel – Außenansicht – Antall-Gebäude © Europäische Union 2021 – Europäisches Parlament