Der Bestand von David Maria Sassoli


European Parliament President David Maria SassoliPlenarsitzung Juli 2019 – David Maria Sassoli wird zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt © Europäische Union 2019 – Europäisches Parlament
„Demokratie ist ein kontinuierlicher Prozess. Wir sollten Demokratie nie als selbstverständlich oder für alle Zeit als gesichert ansehen. Wir müssen die Demokratie schützen und ihr neues Leben einhauchen. Vor allem muss Demokratie immer mit Gerechtigkeit einhergehen.“

Biografie

David Maria Sassoli wurde am 30. Mai 1956 in Florenz geboren.
 
Seine berufliche Laufbahn begann er als Journalist bei kleinen Zeitungen und Nachrichtenagenturen, bevor er sieben Jahre für die Redaktion von Il Giorno in Rom tätig war. Ab 1992 arbeitete er als TV-Journalist und Korrespondent für TG3.
 
Danach arbeitete er für Nachrichtensendungen auf Rai Uno und Rai Due, bevor er 1999 als Sonderkorrespondent in die Redaktion von TG1 eintrat. Während der folgenden 10 Jahre war er für die Hauptnachrichtensendungen und für die Berichterstattung über wichtige nationale und internationale Ereignisse verantwortlich. Im Jahr 2007 wurde er stellvertretender Direktor von TG1 und war für die Sendungen TV7 und TG1 Special mit politischen Hintergrundinformationen verantwortlich.

Bereits früh engagierte er sich in Erziehungsorganisationen wie den Pfadfindern und katholischen Jugendbewegungen.

Am 7. Juni 2009 wurde er als Vertreter des Partito Democratico (PD) für Mittelitalien als Mitglied in das Europäische Parlament gewählt. Während der Wahlperiode 2009–2014 war er Delegationsleiter des Partito Democratico im Europäischen Parlament.
 
2014 wurde er als Mitglied des Europäischen Parlaments wiedergewählt und zum Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments zuständig für Mittelmeerpolitik, Haushalt und Gebäude gewählt. Er war Mitglied des Ausschusses für Verkehr und Tourismus und entwickelte die europäische Eisenbahnreform (viertes Eisenbahnpaket) und den einheitlichen europäischen Luftraum (Single European Sky) weiter.
 
Im Mai 2019 trat er seine dritte Amtszeit als Mitglied des Europäischen Parlaments für Mittelitalien an und wurde am 3. Juli zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt.

David Maria Sassoli verstarb am 11. Januar 2022.

Politischer Werdegang

  • 2009–2014: Mitglied des Europäischen Parlaments als Vertreter für Mittelitalien, Delegationsleiter des Partito Democratico im Europäischen Parlament
  • 2014–2019: Wiederwahl als Mitglied des Europäischen Parlaments, Wahl zum Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments
  • 2019–2022: Wiederwahl als Mitglied des Europäischen Parlaments
  • 2019–2022: Präsident des Europäischen Parlaments

Was sich im Archiv befindet

Die Dokumente des Kabinetts von Präsident David Maria Sassoli werden dem Archiv in Übereinstimmung mit den im Dokumentenverwaltungsverzeichnis für jede Serie festgelegten Zeiträumen übergeben.

Reflexionen der Präsidenten des Europäischen Parlaments: David Sassoli

Liebe Freunde,

ich freue mich über die Möglichkeit, meine Ansichten und die Erwartungen des Europäischen Parlaments in Bezug auf die erforderliche Stärkung der Demokratie weltweit mitzuteilen und über die Rolle der transatlantischen Allianz zu sprechen.

Ich möchte sehr direkt sein: Die von der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten geteilten Werte des Friedens, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sind weltweit bedroht. Die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten wurde in den letzten Jahrzehnten ausgehöhlt. Autoritarismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus haben viele Unterstützter gefunden, die nicht zögerten, die Pandemie als Rechtfertigung für die Untergrabung der Fundamente unseres demokratischen Systems zu nutzen.

Diese Werte, die Europa so lieb und teuer sind, sind nicht unzerstörbar. Deshalb müssen wir Hand in Hand mit unserem Verbündeten, mit allen Verbündeten und insbesondere gemeinsam mit dem US-Kongress, unsere Werte verteidigen. Unsere beiden Institutionen teilen die Überzeugung, dass die repräsentative Demokratie die bestmögliche Garantie für die Wahrung und den Schutz der Menschenrechte, der Menschenwürde und der Grundfreiheiten bietet. Unsere beiden Institutionen fühlen sich verpflichtet, zur Förderung dieser Werte auf der ganzen Welt beizutragen, auch durch diesem Thema gewidmete Unterausschüsse, was in anderen parlamentarischen Versammlungen nach wie vor die Ausnahme darstellt.

Mit gutem Beispiel voranzugehen ist ohne Zweifel die beste Methode, diese Werte zu stärken, und wir dürfen auf diesem Weg weder zurückweichen noch langsamer werden. Die Ereignisse der letzten Zeit in den Vereinigten Staaten und in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben dies gezeigt. Das Vertrauen in unsere Institutionen wurde durch verschiedene Faktoren wie Fehlinformation, Hetze, nicht regulierte digitale Plattformen und die Beeinflussung von Wahlen erschüttert. Gründe dafür sind jedoch auch die riesigen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, darunter die zunehmende Ungleichheit und der Klimawandel.

COVID-19, eine der größten Krisen seit dem zweiten Weltkrieg, stellte uns vor unerwartete Herausforderungen und bedeutete zusätzliche Komplexitätsebenen in einer bereits fragilen Lage, in der große Teile der Bevölkerung aus dem demokratischen Leben ausgeschlossen waren. Wie wir wissen, hatte die Pandemie Auswirkungen auf unterschiedliche Bereiche, nicht nur auf das Gesundheitssystem, sondern auch auf unser Gesellschaftsmodell; sie traf jene Menschen, Bürger und Bevölkerungsteile unverhältnismäßig stark, die aus einer sozioökonomischen Perspektive am meisten gefährdet sind.

European Parliament President David Maria SassoliVersammlung der Fokusgruppen zur Zukunft des Parlaments nach COVID-19 mit EP-Präsident David Sassoli (Mitte), 7. September 2021 © Europäische Union 2021 – Europäisches Parlament

Insbesondere in Zeiten der Krise müssen unsere Demokratien ihre Funktion unter Beweis stellen: ihre Nützlichkeit als Projekte, die für das Wohlergehen aller geschaffen wurden und die Menschen schützen sowie Gleichheit, sozialen Fortschritt und Wohlergehen fördern können. Im Zentrum unserer Aufmerksamkeit muss stehen, dem Bedürfnis der Menschen nach Fürsorge, Arbeit, Würde, Sicherheit und zukünftigem Wohlstand gerecht zu werden.

Demokratie kann nicht für alle Zeit als selbstverständlich erachtet werden, sie ist jedoch ein Konzept, das täglich genährt und neu erschaffen werden muss, um auf die Bedürfnisse der Bürger in angemessener Weise zu reagieren. Dieses Thema liegt dem Europäischen Parlament sehr am Herzen, was wir auch durch die Einrichtung der Konferenz zur Zukunft Europas gezeigt haben. Diese zielt darauf ab, über die aus dieser Krise gezogenen Lehren nachzudenken, um unser Modell der europäischen Demokratie zu stärken und zu modernisieren. Die Konferenz stellt eine beispiellose Übung in Demokratie dar und wir sind fest davon überzeugt, dass sie für alle Bürger, die der Kern und Bezugspunkt all unserer Institutionen sein müssen, zu konkreten, greifbaren und nützlichen Ergebnissen führen wird.

In den vergangenen Monaten habe ich auch einen Nachdenkprozess im Parlament angestoßen, um aus der aktuellen Krise Lehren für unsere Institution zu ziehen. Die Pandemie hat uns zum Einsatz neuer Arbeitsmethoden gezwungen, um die Flamme der Demokratie am Leben zu erhalten, und wie in vielen anderen Institutionen hat sich im Europäischen Parlament vieles geändert. Nun müssen wir uns jedoch in allgemeinerer Weise darüber Gedanken machen, wie unsere parlamentarische Versammlung funktioniert, um sicherzustellen, dass sie das demokratische Ideal verkörpert und den heutigen Zeiten entspricht.

Dieses Nachdenken über die Zukunft und die Weiterentwicklung unserer demokratischen Praktiken wurde durch die einfache Erkenntnis ausgelöst, dass die Welt von gestern, die Welt, wie wir sie vor der Pandemie kannten, unserer Zeit nicht mehr gerecht wird. Deshalb müssen wir uns modernisieren und erneuern, sogar unsere Verordnungen, die Praktiken, mit denen unsere demokratische Tätigkeit umgesetzt wird, müssen wir erneuern. Seit Beginn der Pandemie sagen wir, dass wir aus der Krise anders hervorgehen werden, da wir bemerkt haben, dass unser Entwicklungsmodell ein defektes Modell ist, von dem nicht die gesamte Gesellschaft profitiert. Das dürfen wir nicht zulassen, denn wir haben gesagt, dass niemand zurückgelassen werden darf, und somit müssen wir Sorge tragen, dass das nicht geschieht.

Multilateralismus, ja Multilateralismus muss unser Kompass sein und wir sind bereit, mit Ihnen und unseren Nachbarn daran zu arbeiten, eine neue Welt zu imaginieren und zu errichten, eine Welt, in der Menschenrechte und Grundfreiheiten geachtet werden, eine bessere Welt – eine aus der sozialen und Umweltperspektive gerechtere und fairere. Vom Westbalkan bis nach Belarus, von Afrika bis nach Lateinamerika – wenn wir gemeinsam handeln, sind wir stärker und können unsere gemeinsamen Werte entschlossener durchsetzen.

Vor wenigen Wochen, während des G7-Gipfels, hatte ich Gelegenheit, mit der Sprecherin des US-Kongresses, Nancy Pelosi, über den dringenden Bedarf an einer engeren Zusammenarbeit unserer Parlamente in Angelegenheiten wie Klimawandel, Migration und Asyl oder bei der Bekämpfung von Pandemien zu sprechen. Unser nächster Gipfel für Demokratie wird deshalb eine unglaubliche Chance für eine enge Zusammenarbeit unserer Versammlungen bieten.

European Parliament President David Maria SassoliEP-Präsident David Sassoli trifft US-Außenminister Mike Pompeo, 3. September 2019 © Europäische Union 2019 – Europäisches Parlament

Kein Land kann globale Herausforderungen alleine angehen. Wenn wir jedoch zusammenarbeiten, können wir auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, natürlich besser reagieren und nur gemeinsam werden wir sie bewältigen können. Unsere Weltordnung basiert auf Regeln, an denen wir uns orientieren, die jedoch nicht unantastbar sind, die wir anpassen müssen, damit sie der sich verändernden Welt entsprechen und dasselbe gilt auch für unsere Institutionen. Wir dürfen keine Tabus kennen, wir dürfen keine Angst vor neuen Maßnahmen haben, wir müssen uns trauen, mutig zu sein, denn es gibt zahlreiche Herausforderungen: vom Klimanotstand zum grünen und digitalen Wandel, von einer globalen Gesundheitspolitik zu einer sozioökonomisch resilienteren Gesellschaft, ohne die Herausforderungen an unseren Grenzen mit einem zunehmend aggressiven Russland und einem selbstbewussteren China sowie den Terrorismus oder die Verbreitung von Kernwaffen zu vergessen. Alle dies erfordert ein Bekenntnis – das Bekenntnis zu zeigen, dass Demokratien jene Systeme sind, die sich am besten zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten durch multilaterale Lösungen eignen.

Um sinngemäß mit Martin Luther zu sprechen: Ein Angriff auf Demokratien, egal in welchem Fall, ist immer und überall ein Angriff auf die Demokratie. Die Demokratie in Amerika ist die Demokratie in Europa ist die Demokratie in der Ukraine ist die Demokratie in Belarus. Wir alle zusammen werden Angriffen von außen und innen widerstehen, wenn wir uns verteidigen und einander schützen. Wir müssen weiter gemeinsam gehen.

Rede im Rahmen des Transatlantischen Dialogs und zu dessen Bedeutung für die Verteidigung der Demokratie – Die Rolle der Parlamente. Brüssel, 29. Juni 2021

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