Der Bestand von Pierre Pflimlin


European Parliament President Pierre PflimlinPorträt von Pierre Pflimlin – EP-Präsident leitet die Plenarsitzung im EP in Straßburg © Europäische Gemeinschaften 1984

„Ich hoffe, dass es keinen Mangel an Männern und Frauen geben wird, die sich beherzt der großen Aufgabe widmen werden, ein Europa für das 21. Jahrhundert zu formen. Es wird offenkundig ein blühendes Europa und ein kraftvolles Europa sein, das sich dem Streben nach Frieden verpflichtet, aber auch und vor allem wird es ein Europa sein, das fest dazu entschlossen ist, weltweit für den Vorrang immaterieller Werte einzutreten.“

Biografie

Pierre Pflimlin wurde am 5. Februar 1907 in Roubaix im Départment Nord in Frankreich geboren. Seine Hochschulausbildung in Rechtswissenschaften und Politikwissenschaft absolvierte er in Paris und an der Universität Straßburg. Ab 1933 arbeitete er als Mitglied der Straßburger Anwaltskammer als Rechtsanwalt. Er wurde Untersuchungsrichter in Thonon-les-Bains, Haute-Savoie (1941-1944) und danach Staatsanwaltssubstitut in Metz. 1945 trat er der Republikanischen Volkspartei (MRP) bei und war von 1956 bis 1959 deren Parteivorsitzender. 1946 wurde er als Abgeordneter in die Nationalversammlung gewählt. Er übte auch weiterhin sein Amt als Stadtrat in Straßburg aus. Ab 1946 hatte er in der Vierten und Fünften Republik Regierungsämter inne.

1962 trat er wegen Unstimmigkeiten mit General de Gaulle bezüglich der europäischen Integration gemeinsam mit anderen MRP-Ministern zurück. Von diesem Zeitpunkt an drehte sich seine politische Tätigkeit um sein Amt als Straßburger Bürgermeister, das er von 1959 bis 1983 innehatte. Er war außerdem Vorsitzender der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (1963-1966).

Pierre Pflimlin verstarb am 27. Juni 2000 in Straßburg.

Politische Ämter

•    1979–1989: Wahl in das Europäische Parlament als Mitglied für die EVP; Vizepräsident des Europäischen Parlaments während seiner ersten Wahlperiode
•    1979–1980: Ausschuss für Haushaltskontrolle, Ausschuss für Verkehr
•    1983–1984: Ausschuss für Energie und Forschung
•    1979–1987: Präsidium des Parlaments
•    1984–1987: Präsident des Europäischen Parlaments
•    1987–1989: Politischer Ausschuss
•    1989: legt sein Amt nieder und tritt in den Ruhestand

Was sich im Archiv befindet

Bislang enthält das Archiv des Kabinetts von Pierre Pflimlin mehr als 16 000 Elemente in über 2 700 Akten, die nach den verschiedenen Tätigkeiten des Präsidenten während seiner Amtszeit geordnet sind.

Persönlichkeit des öffentlichen Lebens

PE2 P1 100/PERS

Diese Serie besteht aus sieben Serien zu Themen, die sich auf die Rolle des Präsidenten als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens beziehen. Die größte Serie bezieht sich auf Schirmherrschaften und Veranstaltungen, die Darstellung in den Medien, die Verteidigung der Menschenrechte und schließlich auf den Austausch mit Privatpersonen.

Präsidentschaft des Parlaments

PE2 P1 200/PRES

Diese Seriengruppe besteht aus acht Serien zu Themen, die sich auf die politischen Aufgaben des Präsidenten beziehen.

Die erste Serie, „Ausübung der Präsidentschaft“, betrifft die Tätigkeit Pflimlins während der Straßburg-Sitzungen sowie seine Beziehungen mit dem Präsidium und dem erweiterten Präsidium. Diese Serie spiegelt auch die verschiedenen Veranstaltungen und Treffen wider, die seine Amtszeit kennzeichneten, etwa Anhörungen und Höflichkeitsbesuche, den Empfang prominenter Persönlichkeiten und offizielle Besuche. Die folgenden vier Serien decken die verschiedenen Beziehungen des Präsidenten ab: interinstitutionelle (Rat, Kommission und andere Einrichtungen der Gemeinschaft), interparlamentarische (Mitgliedstaaten und Drittländer), Außenbeziehungen (Mitgliedstaaten, Drittländer, internationale Organisationen, nationale politische Parteien und Gewerkschaften usw.), zur Presse und zur Öffentlichkeit (insbesondere Förderanträge, verschiedene Appelle zur Verteidigung der Menschenrechte, Tätigkeiten des EP und der Gemeinschaft).

Die vorletzte Serie enthält Dokumente betreffend die Beziehungen mit einigen politischen Organen des Europäischen Parlaments, wie das Kollegium der Quästoren, die parlamentarischen Ausschüsse und Delegationen und die Fraktionen. Die letzte Serie bezieht sich allein auf das Kabinett des Präsidenten, vor allem unter dem Aspekt seiner Organisation, seiner Funktionsweise und der Post (chronologisch abgelegt nach eingehender und ausgehender Post).

Sekretariat des Parlaments

PE2 P1 300/SECR

Diese Seriengruppe enthält Dokumente in Bezug auf die administrativen und rechtlichen Aufgaben des Kabinetts des Präsidenten, d. h. dessen Beziehungen mit den verschiedenen Generaldirektionen und dem Juristischer Dienst.

Die größte Serie betrifft die Beziehungen mit den folgenden Generaldirektionen: GD Ausschüsse und Delegationen, GD Information und Öffentlichkeitsarbeit (insbesondere die Serien zur Informationspolitik und zum Pressebüro) und GD Verwaltung, Personal und Finanzen (insbesondere die Serien „Statut und Beschäftigungsbedingungen“, „Gebäude und Räumlichkeiten“ und „Protokoll“).

Personalvertretung und Fraktionen

PE2 P1 400/CPGP

Die letzte Seriengruppe enthält Elemente betreffend die Beziehungen mit der Personalvertretung, den Gewerkschaften und schließlich mit den Fraktionssekretariaten.

Reflexionen der Präsidenten des Europäischen Parlaments: Pierre Pflimlin

...Tatsächlich hat [das Europäische Parlament] mehr [Befugnisse], als wir glauben. Erstens verfügt es über Haushaltsbefugnisse. Während meiner Präsidentschaft hatte ich oftmals schwierige und mühsame Diskussionen mit den Ministerräten, insbesondere mit den Finanzministern. Ich habe sie wegen ihres eingeschränkten Blicks auf die Rolle der Gemeinschaft kritisiert. Die Gemeinschaft ist eine sich entwickelnde Einrichtung; was den Haushalt betrifft, kann sie deshalb nicht mit einem Nationalstaat verglichen werden, dessen Aufgaben in der Regel nicht ausgeweitet werden, und der sogar erwägen könnte, seine Aufgaben im Sinne der politischen Formel „weniger Staat“ zu reduzieren. Das ist bei jedem Staat so.

European Parliament President Pierre PflimlinTreffen des EP-Präsidenten Pierre Pflimlin (Mitte links) mit dem Staatsminister im Finanzministerium des Vereinigten Königreichs Peter Brooke (links), dem Europäischen Kommissar für Haushalt, Finanzkontrolle, Personal und Verwaltung Henning Christophersen (Mitte rechts), und dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses Jean-Pierre Cot (rechts) im EP in Straßburg im Juli 1986 © Europäische Gemeinschaften 1986

Die Gemeinschaft ist es etwas ganz anderes. Sie ist in gewisser Weise das Embryo eines Körpers, der noch nicht existiert. In den Augen vieler Menschen besteht die Gemeinschaft einfach aus einer – oftmals über Gebühr kritisierten – gemeinsamen Agrarpolitik und einigen kleineren Nebenaktivitäten. Das trifft nicht zu. Seit der 1986 ausgehandelten Einheitlichen Europäischen Akte sind wir Zeugen der Entwicklung einer umfassenderen Vision von der Zukunft der Gemeinschaft geworden, die zunächst eine vollständige Wirtschaftsunion, angetrieben durch die Schaffung einer europäischen Währung, sein muss und die auch eine gemeinsame Forschungspolitik verfolgen muss, insbesondere was neue Technologien betrifft. Das ist mir besonders wichtig, da sich die Technologien derzeit mit beeindruckender Geschwindigkeit weiterentwickeln [...] Es muss deshalb zu einer Bündelung von Geldmitteln, aber vor allem von Intelligenz kommen, was unserer Ansicht nach ausschlaggebend ist, da sich die Technologien nur sehr schleppend weiterentwickeln [...] Es muss deshalb zu einer Bündelung von Geldmitteln, vor allem aber von Intelligenz kommen, damit wir über ausreichend geistige Kapazitäten verfügen, die uns im Rennen nach neuen Technologien wieder an die Spitze bringen. Es heißt, dass die meisten Produkte, die 2000 auf dem Markt sein werden, noch nicht existieren! Es muss auch eine gemeinsame Umweltpolitik geben; seit Tschernobyl ist sich dessen jeder bewusst. Verschmutzung, radioaktive Wolken, die Verschmutzung des Rheins kennen keine Grenzen! Schließlich braucht es eine Sozialpolitik. Dies stellt in dieser Gemeinschaft der Zwölf ein großes gesellschaftliches Problem dar. Welche europäische Gesellschaft möchten wir errichten? Natürlich einen großen Markt, aber auch eine Gemeinschaft der Solidarität, und dazu gehört Sozialpolitik. Was ich also als Präsident dem Ministerrat vorgeschlagen habe, sogar bevor wir noch über den Haushalt des nächsten Jahres gesprochen haben, war Folgendes: Wie sieht die Perspektive aus? Was ist unsere Vorstellung von der Zukunft der Europäischen Gemeinschaft für die nächsten fünf, sechs oder sogar zehn Jahre? Für die Finanzminister war es zugegebenermaßen nicht einfach, diese Sprache zu verstehen ...

Pierre Pflimlin (Entretiens avec Jean-Louis English et Daniel Riot). Entretiens avec Pierre Pflimlin: Itinéraires d’un Européen. La nuée Bleue. Straßburg, 1989.

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