Der Bestand von Pat Cox


European Parliament President Pat Cox Portrait von Pat Cox, EP-Präsident © Europäische Union 2002 – Europäisches Parlament

„Gemeinsam können wir eine Europäische Union errichten, die einen ganzen Kontinent umspannt, eine Europäische Union, die uns zum ersten Mal seit einem Jahrtausend durch ein Europa der gemeinsamen Werte eint, und nicht mit dem Schwert, nicht aus dem Lauf einer ideologischen Waffe, sondern durch den freien Willen freier und souveräner Völker.“

Biografie

Pat Cox wurde am 28. November 1952 in Dublin in Irland geboren. Er war Lehrbeauftragter für Wirtschaftswissenschaften am Institute of Public Administration und lehrte an der Universität Limerick. Cox war außerdem als Nachrichtenkorrespondent, Moderator und Investigativjournalist für die Fernsehsendung „Today Tonight“ tätig. Er wurde Generalsekretär der irischen Partei der Progressive Democrats und stellvertretender Parteivorsitzender und danach Vorsitzender der Europäischen Liberalen Demokraten.

Politische Ämter

•    1985: Generalsekretär der irischen Progressive Democrats.
•    1989–1994: 1. Mandat als Mitglied des Europäischen Parlaments
•    1992: Mitglied des irischen Repräsentantenhauses (Dáil Éireann)
•    1994–1999: 2. Mandat als Mitglied des Europäischen Parlaments
•    1998: Vorsitzende der Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei Europas (ELDR)
•    1999: 3. Mandat als Mitglied des Europäischen Parlaments
•    2002–2004: Präsident des Europäischen Parlaments
•    2006–2011: Präsident der Europäischen Bewegung International
•    2010: Mitbegründer der Spinelli-Gruppe im Europäischen Parlament

Was sich im Archiv befindet

Es gibt derzeit 4 546 Dokumente geordnet in 603 Akten im Zusammenhang mit den einzelnen, während der Amtszeit des Präsidenten behandelten Angelegenheiten.

Die Unterlagen aus dem Kabinett von Pat Cox wurden nach den verschiedenen Arten von Tätigkeiten während seiner Amtszeit als Präsident (2002–2004) kategorisiert und in Dokumentenserien aufgeteilt, die seine administrativen, rechtlichen und politischen Aufgaben (weiter unterteilt in interne Angelegenheiten und solche im Zusammenhang mit Außenbeziehungen) betreffen.

Administrative und rechtliche Aufgaben

PE5 P2 A00/ADJU 

Diese Serie besteht aus Dokumenten zur Verwaltung von Finanzressourcen und Immobilien. In dieser Serie ist auch die Zusammenarbeit mit dem Generalsekretär dokumentiert.

Erste Serie zu politischen Aufgaben: Interne Beziehungen

PE5 P2 B00/RINT

Das Thema dieser Serie sind die internen Politikbereiche. Sie ist in vier Unterserien unterteilt. Die erste enthält Dokumente, vorwiegend Erklärungen und Pressemitteilungen, aber auch Reden, in denen der Präsident seine Ansichten zu einer Reihe von Angelegenheiten während seiner Amtszeit mitteilt. Die zweite Unterserie umfasst verschiedene Akten zu Angelegenheiten, die vom Kabinett des Präsidenten behandelt wurden, den eingegangenen Schriftverkehr und sein offizielles Programm. Die dritte Unterserie bezieht sich auf die Arbeit der administrativen Leitungsorgane des Parlaments: das Präsidium, die Konferenz der Präsidenten und die Quästoren. Die letzte Unterserie deckt die Beziehungen des Kabinetts mit den MdEP ab.

Zweite Serie zu politischen Aufgaben: Außenbeziehungen

PE5 P2 C00/REXT

In dieser Serie geht es um die externen Politikbereiche. Die erste Unterserie zur Rolle des Präsidenten als Vertreter des Parlaments nach außen enthält eine Reihe von chronologisch geordneten Dokumenten, die sich auf die von ihm absolvierten offiziellen Besuche und die Öffentlichkeitsarbeit beziehen. Die zweite Unterserie ist seinen Beziehungen mit den anderen Institutionen und Organen der EU gewidmet, insbesondere was bestimmte Veranstaltungen wie Tagungen des Rates betrifft. Die folgenden beiden Serien behandelt speziell die Erweiterung der EU. Eine Serie enthält Dokumente zu den verschiedenen Besuchen und Treffen, die der Präsident durchführte und abhielt, und die andere umfasst nach Ländern geordnete Dokumente. Die fünfte Unterserie betrifft die Beziehungen des Präsidenten mit Drittländern und besteht aus Dokumenten, die sich im Zuge offizieller Besuche und Treffen ansammelten. Diese Dokumente, vorwiegend Vermerke und Nachrichtenartikel, sind nach Land bzw. Briefpartner geordnet. Die letzte Unterserie dreht sich um internationale Foren und insbesondere die Organisation und Funktionsweise des parlamentarischen Euromed-Forums.

Reflexionen der Präsidenten des Europäischen Parlaments: Pat Cox

Der Auftrag des Präsidenten des Europäischen Parlaments lässt sich leichter beschreiben als erfüllen. Als ich aus Anlass des fünfzigsten Geburtstags des Organs auf Einladung meines Freundes, ehemaligen Kollegen und Nachfolgers, Präsident Hans-Gert Pöttering, über einige Schlüsselmomente nachdachte, stand mir eine ganze Reihe davon zur Auswahl. Als ich noch einmal eine Rede las, die ich zum Schluss meiner Amtszeit hielt, wurde mir noch einmal bewusst, wie ausfüllend das Amt ist. Doch durch all dies zog sich ein konstanter roter Faden. Er nahm seinen Anfang im Jahr meiner Wahl ins Parlament, als ich weder vorhersehen noch mir vorstellen konnte, jemals das Privileg zu haben, Präsident des Parlaments zu sein. 1989 war ein außergewöhnliches Jahr, ein „annus mirabilis“.

European Parliament President Pat CoxPlenarsitzung in Straßburg –Wahl von Pat Cox zum EP-Präsidenten © Europäische Union 2002 – Europäisches Parlament

Für die Völker in Mittel- und Osteuropa war es das Jahr, das einen Neubeginn markierte. Als die Berliner Mauer am 9. November 1989 fiel, fanden Jahrzehnte des Verlangens nach Freiheit ihren Ausdruck. An jenem Tag hallte das Echo aus den Straßen Budapests im Jahr 1956 nieder, und wieder wurde die Erinnerung an den langen mutigen Kampf der Solidarnosc in Polen wach. Vor das geistige Auge traten wieder die samtene Revolution in Prag und die von Gesang begleiteten Revolutionen in den baltischen Staaten. Der lange Weg führte zur Implosion der Sowjetunion und zur deutschen Wiedervereinigung. Der Geist der Ereignisse in Berlin in jenem November war eine frische Brise. Als nur wenige Monate vorher erstmals ins Europäische Parlament gewähltes Mitglied atmete ich diesen berauschenden Sauerstoff des Wandels ein. Als ich 2002 das Privileg erhielt, als Präsident des Europäischen Parlaments zu dienen, hatte der Prozess der Reifung dieser Staaten und Völker hin zu ihrem Beitritt zur EU seinen entscheidenden Moment erreicht. Das durch das bedrückende Gewicht der Geschichte und nicht durch eine bewusste Entscheidung geteilte Europa wieder zusammenzuführen, um gemeinsame Werte und Wohlstand zu teilen, war die alles überspannende politische Priorität und die verzehrende Leidenschaft meiner Amtszeit.

Als Parlamentarier haben wir einen großen Beitrag zu dieser Aufgabe geleistet. Aufgrund der engagierten Arbeit des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und seiner Berichterstatter, durch die Tätigkeit der gemeinsamen parlamentarischen Delegationen und über die Fraktionen, über das Präsidium und über die Konferenz der Präsidenten leistete das Europäische Parlament Hilfestellung dabei, die Debatte von der unvermeidbaren Monotonie des gemeinschaftlichen Besitzstands hin zur Vitalität des Augenblicks zu verlagern. Wir setzten die Lebhaftigkeit der parlamentarischen Politik dazu ein, der Herausforderung zu begegnen.

Wir ermutigten die notwendigen Kompromisse innerhalb und zwischen den europäischen Institutionen und den Mitgliedstaaten und Kandidatenländern. Wir erzielten eine Einigung über den Haushalts und Finanzrahmen, der erforderlich war, um diesen historischen Wandel zu bewältigen. Wir versuchten, der Öffentlichkeit ein Gespür für dieses erregende Projekt zu vermitteln. Wir gaben unsere Zustimmung zum Beitrittsvertrag und erfüllten damit eine unerlässliche Voraussetzung für seine Annahme durch die nationalen Parlamente. Wir taten all das, was die Pflicht von uns verlangte, und wir taten noch mehr.

Die Beitrittsländer selbst durchlebten eine außerordentliche zweifache Transformation auf ihrer Reise vom Kommunismus zur Marktwirtschaft und hin zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Ihre führenden Politiker und ihre Parlamentarier trugen eine schwere Verantwortung. In einem symbolischen Akt der politischen Solidarität als Vorstufe des Beitritts lud das Europäische Parlament Parlamentarier aus allen Bewerberländern als Beobachter ein.Wir traten erstmals im November 2002 in Straßburg zusammen – vor dem wichtigen Marktstein des Kopenhagener Gipfels im November 2002 – und stellten fest, dass wir im Europäischen Parlament die Gelegenheit erhalten würden, uns der neuen politischen und kulturellen Vielfalt in Europa zu stellen und uns in einem Prozess der gegenseitigen Verständigung und politischen Sozialisation zu engagieren. Es handelte sich um eine frühe Investition in den notwendigen Aufbau von Beziehungen auf persönlicher, politischer und institutioneller Ebene und eine frühe Probe für eine künftige Wirklichkeit.

Zu Beginn der Debatte erklärte ich seinerzeit: „Als Politiker müssen wir uns der geschichtlichen Herausforderung stellen, diesen wahrhaft kontinentalen Akt der Wiederversöhnung und Heilung zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Als Parlamentarier sind wir berufen, Führung zu übernehmen und die öffentliche Zustimmung in den Mitgliedstaaten wie in den Beitrittsländern zu gewinnen. Keine Öffentlichkeitsarbeit oder Informationskampagne kann eine konkrete Politik ersetzen, die sich auf Überzeugung und Vernunft stützt. Jetzt ist die Zeit für die Politiker gekommen, die Agenda der Erweiterung von den Experten, die den Weg geebnet haben, zu übernehmen.“

In einer historischen Abstimmung am 9. April 2003 nahm das Parlament eine Entschließung zum Abschluss der Verhandlungen über die Erweiterung in Kopenhagen an und gab formell seine Zustimmung zu den Beitrittsanträgen  der zehn Staaten, die ihre Verhandlungen abgeschlossen hatten. Aufgrund dessen konnte der Beitrittsvertrag anlässlich einer besonderen Veranstaltung in Athen nur wenige Tage später unterzeichnet werden. Seinerzeit wurden – ein bisher nie da gewesene Geste – Mitglieder der nationalen Parlamente sämtlicher Beitrittsländer eingeladen, ab dem 1. Mai 2003 bis zum endgültigen Vollzug des Beitritts ihrer Länder regelmäßig an der Arbeit des Europäischen Parlaments als Beobachter teilzunehmen. Im Zuge des Prozesses der Vertiefung der Erweiterung nahm er einen inklusiven und irreversiblen Charakter an. Was den Inhalt und den Zeitplan betrifft, stand das Europäische Parlament während dieses gesamten Zeitraums im Zentrum der Ereignisse und begnügte sich nicht lediglich damit, den Ereignissen zu folgen.

European Parliament President Pat CoxPlenarsitzung im Europäischen Parlament in Straßburg – Unterzeichnung des Beitrittsvertrags. Abgebildet (von links nach rechts): Elmar Brok, Pat Cox, Günter Verheugen, Reinhard Rack © Europäische Gemeinschaften 2003 – Europäisches Parlament

Es erfüllte mich als Iren und Europäer mit großem Stolz, dass die offizielle Geburtsstunde der Europäischen Union der 25 am 1. Mai 2004 während einer derart erfolgreichen irischen EU-Präsidentschaft in feierlicher Form begangen wurde. Doch als Präsident des Europäischen Parlaments hätte es mir mein Pflichtgefühl geboten, nur wenige Wochen vor den bevorstehenden europaweiten Parlamentswahlen im Juni jenen Jahres die Feier im Parlament in Straßburg abzuhalten und seine Rolle als Bühne der europäischen Politik hervorzuheben. Der Umstand, dass man der Teilnahme an den traditionellen Veranstaltungen zum 1. Mai den Vorzug gab, und an besagtem Wochenende Wahltermine anstanden, hatten zur Folge, dass es Monate im Voraus in der Führung des Parlaments keinen Konsens über den Vorschlag gab, am 1. Mai in Straßburg zu feiern. So beging das Europäische Parlament am Montag, 3. Mai 2004, in Straßburg die Morgenröte seiner neuen Ära.

Am Eingang des Parlaments in Straßburg wurde der Besucher von sechzehn hohen Flaggenmasten begrüßt, an denen die zwölf goldenen Sterne der Europäischen Union und die nationalen Flaggen der fünfzehn Mitgliedstaaten gehisst waren. Zehn neue Länder würden zehn neue Flaggenmasten erforderlich machen. Aufgrund ihrer ausreichenden Größe und ihres potenziellen Preises wäre nach den Rechtsvorschriften der EU eine öffentliche Ausschreibung notwendig gewesen. Diese Ausschreibung wiederum hatte von einer beliebigen Zahl von Lieferanten aus einer beliebigen Zahl von Ländern gewonnen werden können. Meiner Ansicht nach durften die Flaggenmasten als symbolische Geste nur von einem Ort kommen, der Danziger Werft nämlich. Monate vorher veranlasste mich dies, mit dem polnischen Premierminister Lezek Miller die Möglichkeit einer Schenkung der Flaggenmasten aus Polen zu erörtern. Zu meiner großen Freude stimmte er sofort zu. Als wir in Straßburg am späten Nachmittag des ersten Tages dieser letzten Tagung vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 2004 versammelt waren, standen die Geschenke aus Gdansk an Europa aufrecht: Lech Walesa, der mit seinem sittlichen Mut und seiner Stärke den Kampf für die Freiheit symbolisierte; der Wert und die Werte der Solidarnosc, die jetzt durch diesen ehrgeizigen Beitritt zur Vollendung gelangt waren, und die Flaggenmasten selbst, standhafte und stumme Zeugen, die auf die symbolische parlamentarische Entfaltung der neuesten Mitgliedstaaten der Union warteten.

European Parliament President Pat Cox Offizielle Zeremonie anlässlich der EU-Erweiterung. Zu den Gästen zählten u. a. der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa (rechts), die Präsidenten bzw. Vizepräsidenten der Parlamente der neuen Mitgliedstaaten und EU-Botschafter; links: EP-Präsident Pat Cox © Europäische Gemeinschaften 2004

Der Träger des Nobelpreises für Literatur, der irische Dichter Seamus Heaney, schrieb: „Lasst uns von Heimkehr sprechen an einem Tag, an dem Menschen zu uns finden“. Dies war ein solcher Tag. Dies war eine Heimkehr. Was 1989 – als ich erstmals als Mitglied ins Europäische Parlament kam – als unmöglicher Traum erschienen wäre, war jetzt Wirklichkeit, und an meiner Seite stand Lech Walesa „als sichtbares Zeichen des Kampfes für ein vereintes Europa“. Er bemerkte: „Die Anstrengung ist vollbracht. Der Wille einer früheren Generation wird erfüllt.“

Es wäre leicht, die Rolle des Europäischen Parlaments oder die eigene persönliche Rolle bei dieser außergewöhnlichen Reise zu überhöhen. Ein Gefühl für Verhältnismäßigkeit, das Wissen um die politische und institutionelle Komplexität und ein Sinn für Geschichte würden einen bescheideneren Anspruch nahe legen. Im Kern ging es darum, dass wir aufgerufen waren, unsere Pflicht vor unseren europäischen Mitbürgern zu tun und unserer Berufung als direkt gewählte europäische Parlamentarier nachzukommen. Wir waren gefordert, unseren Teil dabei zu übernehmen, das Vermächtnis und die schwere Last der geteilten Geschichte unseres Kontinents wieder in ein Gleichgewicht zu bringen und dabei zu helfen, den Weg hin zu einem neuen Europa zu ebnen. Dies haben wir getan. Wir haben unsere Pflicht getan. Das Vermächtnis dieser Pflicht wird mehr als wir selbst von Dauer sein und den Belastungstest der Zeit bestehen.

Ich beglückwünsche den Präsidenten des Parlaments zu dieser Initiative und danke ihm für seine an mich gerichtete Einladung, daran mitzuwirken. Ich beglückwünsche ebenfalls das Europäische Parlament, seine Mitglieder und seine und ihre Bediensteten zu diesem 50. Geburtstag und wünsche ihnen für die Zukunft alles Gute. Ihr Erfolg wird der Erfolg Europas sein.

European Parliament President Pat Cox Signature