Der Bestand von Emilio Colombo


European Parliament President Colombo EmilioEmilio Colombo, Präsident des Europäischen Parlaments, während einer Sitzung in Straßburg im November 1977 © Europäische Gemeinschaften 1977 – Europäisches Parlament
„Europa ist das natürliche Umfeld, in dem Lösungen für den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt ihren wahren Sinn und Wert finden werden.“

Biografie

Emilio Colombo wurde am 11. April 1920 in Potenza in Italien geboren. Im Alter von 26 Jahren wurde er zum Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung gewählt, jener Institution, der die Aufgabe zukam, Italien nach dem Krieg eine neue Verfassung zu geben. Danach wurde er zum Sekretär des Landwirtschaftsausschusses ernannt. 1948 wurde er zum Mitglied des italienischen Parlaments gewählt. Diesen Sitz hatte er bis 2003 inne, als er vom italienischen Staatspräsidenten zum Senator auf Lebenszeit ernannt wurde. Colombo war zwischen 1955 und 1976 Minister in mehreren italienischen Mitte- und Mitte-Links-Regierungen und hatte von 1970 bis 1972 das Amt des italienischen Ministerpräsidenten inne. 1985 wurde er Präsident der Europäischen Union Christlicher Demokraten. Am 12. Juli 1990 wurde er zum Präsidenten des italienischen Atlantikausschusses ernannt. Von März 1993 bis Juni 1995 war er Vorsitzender der Christdemokratischen Internationalen.

Politische Ämter

1976 wurde Colombo Mitglied des Europäischen Parlaments, wo er bis 1992 der christdemokratischen Fraktion (die später zur Fraktion der Europäischen Volkspartei wurde) angehörte. Im März 1977 wurde er zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt, dessen Vorsitz er bis zu den ersten allgemeinen und unmittelbaren Wahlen innehatte. Im Mai 1979 wurde er als dritter italienischer Politiker nach Alcide de Gasperi und Antonio Segnis in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Von Februar bis Mai 1992 war er Vorsitzender des nichtständigen Ausschusses Delors-II-Paket ("Von der Einheitlichen Europäischen Akte zu der Zeit nach Maastricht - ausreichende Mittel für unsere ehrgeizigen Ziele"), der sich der Erreichung der Ziele des Vertrages von Maastricht widmete.

Was sich im Archiv befindet

Die Beamtinnen und Beamten des Kabinetts von Präsidentin Simone Veil haben die Archivbestände zur ersten Präsidentin des gewählten Parlaments mit den Archivbeständen zu den Präsidenten Emilio Colombo (1977–1979), Cornelis Berkhouwer (1973–1975) und Georges Spénale (1975–1977) zusammengeführt. Dank der Indexierung des Archivs des Europäischen Parlaments ist es aber dennoch möglich, alle Dokumente, die Präsident Colombo während seiner Amtszeit versendet oder empfangen hat, zu identifizieren. Seine Tätigkeiten können daher umfassend und präzise rekonstruiert werden.

Präsident Colombos Unterlagen sind in den folgenden vier Reihen der Archivbestände des Kabinetts Veil enthalten:

Persönlichkeit des öffentlichen Lebens

PE1 P1 100/PERS

siehe Bestand von EP-Präsidentin Simone Veil

Parlamentspräsidentschaft

PE1 P1 200/PRES

siehe Bestand von EP-Präsidentin Simone Veil

Sekretariat des Parlaments

PE1 P1 300/SECR

siehe Bestand von EP-Präsidentin Simone Veil

Anhang

siehe Bestand von EP-Präsidentin Simone Veil

Reflexionen der Präsidenten des Europäischen Parlaments: Emilio Colombo

Im Rahmen meiner langjährigen Arbeit für Europa habe ich in den Jahren 1977 bis 1979 höchst wertvolle Erfahrungen gesammelt. Nachdem ich 1976 vom italienischen Parlament zum Abgeordneten des Europäischen Parlaments gewählt worden war, wurde ich 1977 dessen Präsident. Den EP-Abgeordneten von damals gilt mein Dank für ihre Bereitschaft, mich zwischen 1977 und 1979 dreimal in Folge wiederzuwählen (was nach den Bestimmungen jener Zeit nicht üblich war), damit während meiner Amtszeit mit ihrer uneingeschränkten Unterstützung das größte demokratische Unterfangen Europas Wirklichkeit werden konnte: die Direktwahlen zum Europäischen Parlament.

European Parliament President Colombo Emilio
Emilio Colombo während der Wahl des Präsidenten des Europäischen Parlaments im Jahr 1977 (Straßburg) © Europäische Gemeinschaften 1977 – Europäisches Parlament

Das war damals eine sehr intensive und begeisternde Zeit: Endlich taten wir unseren Glauben an Europa überall und in den verschiedensten Sprachen lautstark kund und wenn unsere Sprachkenntnis nicht weiterhalf, war es eben unser Glaube an Europa, der den Bürgern vermittelte, wie sehr wir von der Zukunft Europas überzeugt waren. Nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse stand fest, dass in den neun Mitgliedstaaten von 114 375 367 Wählern 410 Abgeordnete gewählt worden waren. Neben der äußerst wichtigen Tatsache, dass das Europäische Parlament erstmals direkt gewählt worden war, hatten noch weitere Ereignisse Anteil daran, dass der europäische Integrationsprozess politisch und wirtschaftlich einen höheren Stellenwert erlangte.

Während meiner Präsidentschaft und am Rande der Europawahlen erlebte Ende der 1970er-Jahre das Europa, das zunächst sechs und später neun Mitglieder zählte und das nach Osten wie nach Westen durch Grenzen abgeschottet wurde, die von Anhängern aus dem 19. Jahrhundert stammender Ideologien gezogen worden waren, nicht nur als Zeuge mit, wie zwei von rechten Diktatoren geführte Regime – zunächst Franco-Spanien, dann das Portugal Salazars, zusammenbrachen, sondern hatte diese Stürze mit seiner Treue zu seinen demokratischen Idealen regelrecht mit ausgelöst. Mir wurde die Ehre zuteil, in meiner Eigenschaft als Präsident des Europäischen Parlaments die erste pro-europäische Rede in den feierlich in Madrid einberufenen Cortes Españolas, dem Parlament, und später vor dem portugiesischen Parlament in Lissabon zu halten.

European Parliament President Colombo EmilioEP-Präsident Emilio Colombo schüttelt dem spanischen Präsidenten des Consejo del Reino, Antonio Hernández Gil, die Hand (1978) © Europäische Gemeinschaften 1978 – EP 1977

Obwohl die stark unter Druck gesetzten Länder im Einflussbereich der Sowjetunion, für die der Grundsatz der eingeschränkten Souveränität galt, sich nach wie vor unzugänglich zeigten und daher noch keine Beziehungen zum Osten aufgebaut werden konnten, übte unser Europa dennoch eine Faszination oder zumindest einen gewissen Reiz auf die Länder im Osten aus, da es ihm gelang, sich zu einem Raum des Friedens, der Freiheit, der wirtschaftlichen Entwicklung, des freien Handels und der sozialen Solidarität zu entwickeln.

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass das europäische Aufbauwerk immer wieder kleine oder große Krisen durchlebte, die dem ständigen Konflikt zwischen der Verteidigung des Grundsatzes des Nationalen und groß angelegten supranationalen Initiativen geschuldet waren.

European Parliament President Colombo EmilioEmilio Colombo leitet eine Sitzung © Europäische Gemeinschaften 1977 – Europäisches Parlament

An dieser Stelle möchte ich meine zwangsläufig etwas ungenauen Erinnerungen schließen und lediglich noch erwähnen, dass das Parlament während meiner Präsidentschaft den Anstoß dazu gab, dass der vom Ministerrat vorgelegte Haushaltsplan am 13. Dezember 1979 abgelehnt wurde. Damit wollte es nicht nur auf Aspekte in der Ausführung des Haushaltsplans hinweisen, die es für nicht nachvollziehbar hielt, sondern sich auch als Haushaltsbehörde innerhalb der Finanzmechanismen der Gemeinschaft durchsetzen.

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