Oral History: Archivmaterial zu Pat Cox

Institutionelle Reform

Die Regierungskonferenz und der Europäische Konvent

„Es muss einen besseren Weg geben“

 

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Der Verfassungsvertrag und das Abgeordnetenstatut

Das Europäische Parlament als Impulsgeber für Reformen

 

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Weiterentwicklung der EU-Organe

Als Parlamentspräsident war Pat Cox an vier Meilensteinen der Entwicklung der EU-Organe beteiligt: dem Konvent über die Zukunft Europas, der Regierungskonferenz, dem Verfassungsvertrag und dem Abgeordnetenstatut.

Visit of Council President in-OfficeBesuch des amtierenden Ratspräsidenten anlässlich des Konvents über die Zukunft Europas. Parlamentspräsident Pat Cox, Julian Priestley, José Maria Aznar © Europäische Gemeinschaften, 2002

 

Der Konvent über die Zukunft Europas

Die Erweiterung machte deutlich, dass die EU neue Regeln brauchte. Man entschied sich, einen Konvent über die Zukunft Europas einzuberufen, um diese Regeln auszuarbeiten.

„Die Erweiterung macht die Reform unserer Institutionen unverzichtbar. Doch bereits jetzt ist diese Reform unumgänglich, wenn wir den Rückhalt für die europäische Einigung wieder erstarken lassen und unseren EU-Organen mehr Achtung verschaffen wollen. Die Reform all unserer Organe und eine Reformpartnerschaft aller Organe. Was das genaue Reformprogramm angeht, wird der Konvent die Themen behandeln, die nach Vertragsänderungen verlangen. Wir sollten auch überlegen, was wir schon jetzt tun können.“
 

Address to the European Council in Seville

Rede von Pat Cox vor dem Europäischen Rat in Sevilla, 21. Juni 2002 (PDF auf Englisch)

Mit der Erklärung von Laeken – der Abschlusserklärung des Ratsgipfels im Brüsseler Stadtteil Laeken vom 15. Dezember 2001 – wurde der Konvent über die Zukunft Europas einberufen. Den Vorsitz des Konvents, der aus 105 ordentlichen Mitgliedern bestand, führte Valéry Giscard d'Estaing. Die Mitglieder einigten sich auf den Entwurf eines EU-Verfassungsvertrags, der den Regierungen der Mitgliedstaaten vorgelegt wurde. Diese waren zuerst mit einigen darin enthaltenen Bestimmungen nicht einverstanden, weshalb sie ihn entsprechend anpassten. Der überarbeite und von den Staats- und Regierungschefs angenommene Text wurde schließlich in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Ratifizierung vorgelegt.

Der Europäische Konvent erhielt ein Mandat für ein Jahr. Er nahm es am 1. März 2002 an – dem Tag seiner Eröffnungssitzung. Aufgabe des Konvents war es, die wichtigsten Fragen zur künftigen Entwicklung der EU zu beleuchten und mögliche Lösungen zu finden. Ziel war unter anderem, die Rolle der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, Befugnisse zwischen der EU und den Mitgliedstaaten aufzuteilen, die verschiedenen EU-Instrumente einfacher zu gestalten und die EU demokratischer zu machen.

Im EU-Verfassungsvertrag wurden die institutionelle Rolle des Parlaments und seine Gesetzgebungs- und Haushaltsbefugnisse uneingeschränkt anerkannt und gestärkt. Das neue ordentliche Gesetzgebungsverfahren – damals Mitentscheidungsverfahren genannt – wurde damit zur allgemeinen Regel. Was die Festlegung der allgemeinen Bedingungen für die Kontrolle und die Ausübung von Durchführungsbefugnissen der Kommission im Rahmen des Ausschussverfahrens anging, hatte das Parlament von da an dieselben Rechte wie der Rat. Dafür hatten die Abgeordneten jahrelang gekämpft. Ein fester und rechtsverbindlicher Bestandteil des EU-Verfassungsvertrags war außerdem die Grundrechtecharta der EU, was das Parlament ebenfalls befürwortete.

Doch etwas fehlte noch: Das Mitentscheidungsverfahren und die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit waren zu diesem Zeitpunkt noch Zukunftsmusik. Die Klärung und die Abgrenzung der Befugnisse der EU zählten dennoch zu den wichtigsten Neuerungen, die in dem Text vorgesehen waren.
 

Die Regierungskonferenz

Am 4. Oktober 2003 nahm die Regierungskonferenz von 2003-2004 in Rom ihre Arbeit auf. Erstmals war auch der Präsident des Europäischen Parlaments eingeladen. In seiner Eröffnungsrede hob Cox hervor, dass man die Bevölkerung für den neuen EU-Verfassungsvertrag gewinnen wolle. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse man die möglichen Vorteile der Verfassung aufzeigen:

„Stimmige Außenpolitik, effizientere Beschlussfassung in unserer gesetzgebenden Arbeit.
Koordiniertes Vorgehen bei den Themen innere Sicherheit, Einwanderung und Asyl.
Schutz unserer gemeinsamen Werte durch die Aufnahme der Charta der Grundrechte in den Vertrag.
Stärkung des parlamentarischen Aspekts durch eine umfassendere Rolle für die einzelstaatlichen Parlamente und das Europäische Parlament.
Demokratische Reformen all unserer Organe.“

 

Speech at the Intergovernmental Conference

Rede anlässlich der Eröffnung der Regierungskonferenz, Brüssel, 12. Dezember 2003 (PDF auf Englisch)

Der Auftakt der Konferenz war von Unsicherheit geprägt. Spanien und Portugal hatten sich gegen den Kompromissvorschlag des Konvents ausgesprochen. Auf dem Gipfeltreffen in Brüssel vom 13. Dezember 2003 konnten sich die Staats- und Regierungschefs nicht darauf einigen, die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit in der neuen Verfassung zu verankern. Trotzdem sollte das Ergebnis der Verhandlungen – der EU-Verfassungsvertrag – noch vor der Europawahl angenommen werden.

Dank dem Europäischen Konvent waren die Parlamente der Mitgliedstaaten Pat Cox zufolge so in das europäische Aufbauwerk eingebunden wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Er fragte sich, was die Bevölkerung wohl davon halten würde, wenn die Regierungskonferenz die Arbeit des Konvents hinter verschlossenen Türen zugunsten einer Einigung auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zunichtemachen würde. Und wie würden die Partnerländer einen solchen Rückschlag deuten – jetzt, da die EU dabei war, sich ihren Platz auf der Weltbühne zu sichern? Partner, die hohe Erwartungen hatten?

Brussels European Council - press conferenceRatsgipfel in Brüssel, 17. und 18. Juni 2004 – abschließende Pressekonferenz. Von links nach rechts: der irische Außenminister Brian Cowen, der irische Ministerpräsident und amtierende Ratspräsident Bertie Ahern, Parlamentspräsident Pat Cox und Kommissionspräsident Romano Prodi © Europäische Gemeinschaften, 2002

Die Verhandlungen liefen acht Monate lang, bevor die Regierungskonferenz schließlich eine Einigung erzielte. Die 25 Mitgliedstaaten ratifizierten die Verfassung am 18. Juni 2004 auf dem Ratsgipfel in Brüssel. Der Präsident des Konvents, Valéry Giscard d'Estaing, stellte zwar erfreut fest, dass die Regierungskonferenz 90 % des Verfassungsentwurfs übernommen hatte, doch mit Blick auf Demokratie, Transparenz und die Effizienz der Europäischen Union war man war nicht allen Forderungen des Parlaments nachgekommen.

„Ich habe den Eindruck, dass es einen Stimmungswandel gibt, auf dem wir aufbauen müssen – eine Weigerung, Rückschritte zu machen, und einen neuen Willen, gemeinsam auf dem Weg zur europäischen Einigung voranzuschreiten. [...] Ich bin fest entschlossen, mich im Namen des Parlaments weiter dafür auszusprechen, dass die Staats- und Regierungschefs mutig und ehrgeizig sein müssen, dass sie gemeinsam den politischen Willen finden und klug genug sein müssen, sich zu einigen.“
 

Call for a Constitutional Treaty

Pressemitteilung: Pat Cox fordert Einigung über den Verfassungsvertrag noch vor der Europawahl im Juni, Brüssel, 4. Februar 2004 (PDF auf Englisch)

Die endgültige Fassung des Textes wurde am 29. Oktober 2004 in Rom von den Staats- und Regierungschefs förmlich unterzeichnet. Anschließend musste die Verfassung nach den verfassungsrechtlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten ratifiziert werden – entweder im Rahmen eines parlamentarischen Verfahrens oder mittels Volksabstimmung. Erst nach der Ratifizierung durch alle 25 Mitgliedstaaten hätte sie in Kraft treten können.
 

Ein Verfassungsvertrag

Am 29. Oktober 2004 kamen Vertreterinnen und Vertreter aller Mitgliedstaaten in Rom zusammen, um die Europäische Verfassung zu unterzeichnen. In dem Text wurde die Funktionsweise der Europäischen Union überdacht – die EU sollte bereit für 27 Mitgliedstaaten werden. Die Verfassung vereinte die verschiedenen Elemente, die im Laufe der europäischen Einigung verabschiedet worden waren: die Römischen Verträge, den Vertrag von Maastricht, den Vertrag von Amsterdam und den Vertrag von Nizza.

„Die Zeit für einen Verfassungsvertrag ist jetzt gekommen. [...] weitere Verzögerungen bergen die Gefahr, neue Zweifel zu schüren“

Press Statement on the Constitutional Treaty

Pressemitteilung: Rede von Pat Cox zur Überarbeitung des EU-Verfassungsentwurfs, Brüssel, 25. März 2004 (PDF auf Englisch)

Die Verfassung sollte am 1. November 2006 in Kraft treten – vorausgesetzt, alle Mitgliedstaaten würden sie bis dahin ratifizieren. Doch es sollte anders kommen: Am 29. Mai lehnte Frankreich den Verfassungsentwurf ab, am 1. Juni 2005 folgten die Niederlande.

Abgeordnetenstatut
 

Cox wollte ein gefestigtes Abgeordnetenstatut, das einheitlich und stimmig sein sollte. Die entsprechende umfassende Reform beruhte auf zwei wesentlichen Punkten: zum einen auf der Gleichberechtigung der Abgeordneten nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung, zum anderen auf der Transparenz mit Blick auf Vergütungen, die von den tatsächlich entstandenen Kosten abhängen sollten.


Dieser entschlossene Versuch, neue interne Strukturen zu schaffen, wurde jedoch im Rat ausgebremst: Es konnte keine qualifizierte Mehrheit für die Verabschiedung eines gemeinsamen Abgeordnetenstatuts erreicht werden.


Doch letzten Endes gab der Rat seine Zustimmung, und das Parlament nahm die Reform des Abgeordnetenstatuts 2005 an. Es sollte jedoch erst 2009 in Kraft treten.
 

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