Die Menschen hinter den Namen der Gebäude des Europäischen Parlaments: Pierre Pflimlin


European Parliament Pflimlin Building, StrasbourgAußenansicht des Pflimlin-Gebäudes in Straßburg © Europäische Gemeinschaften 1992 – Europäisches Parlament

Mitgestalter Europas und Parlamentspräsident

Sein Name mag nicht gerade leicht von der Zunge gehen, doch Pierre Pflimlins Karriere war so beeindruckend, dass er lange Zeit in aller Munde war. Er wurde 1907 im französischen Roubaix in eine christdemokratische Familie aus dem Elsass geboren. Nach seinem Studium der Rechts- und Politikwissenschaft an der Universität Straßburg wurde er 1933 in Straßburg als Anwalt zugelassen – in jener Stadt, in der ab 1992 ein Gebäude des Europäischen Parlaments seinen Namen tragen sollte.

Im Elsass verwurzelt

Als französischem Staatsbürger und Elsässer waren Pierre Pflimlin die deutsch-französischen Beziehungen für die Entwicklung Europas besonders wichtig. Als er nach dem Krieg in Robert Schumans Regierung im Jahr 1947 französischer Landwirtschaftsminister wurde, nahm seine europäische Berufung noch deutlicher Gestalt an. Er wollte unter anderem eine gemeinsame europäische Organisation der Agrarmärkte schaffen, heute besser bekannt als Pflimlin-Plan oder „Grüner Pool“. Das Projekt scheiterte allerdings an mangelnder politischer Unterstützung.

Pflimlins Einsatz für Europa rückte 1959 in den Vordergrund, als ihn die französische Nationalversammlung auf Vorschlag der Volksrepublikanischen Bewegung (MRP) in die Beratende Versammlung des Europarates wählte. Von 1963 bis 1966 war er Präsident der Beratenden Versammlung, und 1962 wurde er von der Nationalversammlung als französischer Abgeordneter ins Europäische Parlament gewählt, wo er bis 1967 aktiv war.

Pierre Pflimlin betätigte sich auch in der Regionalpolitik, und zwar in der Stadt, die ihm so sehr am Herzen lag: Straßburg. Von 1959 bis 1983 war er ihr Bürgermeister.

MEP Pierre PflimlinPierre Pflimlin als Abgeordneter bei einer Sitzung in Straßburg im März 1981 © Europäische Union 1981 – Europäisches Parlament

Präsident des Europäischen Parlaments

Nach den ersten Direktwahlen kehrte Pflimlin 1979 ins Europäische Parlament zurück. Von 1979 bis 1984 war er Vizepräsident und von 1984 bis 1987 Präsident. Bis zu seinem Rückzug aus dem politischen Leben im Jahr 1989 blieb er Mitglied des Europäischen Parlaments.

Seine Amtszeit war von wichtigen Ereignissen geprägt, wie etwa dem Beitritt Spaniens und Portugals zur Europäischen Gemeinschaft. Doch auch die Beziehungen zwischen den Institutionen waren ihm ein besonderes Anliegen. Vor allem wollte er den Dialog mit dem Rat verbessern, der aufgrund der heiklen Haushaltsfrage intern zerstritten war. Nach seiner Wahl an die Spitze des Parlaments bemühte er sich, zusätzliche finanzielle Mittel aufzubringen. Der Haushalt sollte nämlich auch für wichtige gemeinsame Themen wie etwa die Agrarpolitik genügen. Mit diesem Anliegen lebte sein Einsatz als französischer Landwirtschaftsminister rasch wieder auf.

Bei einer Tagung des Europäischen Rates 1985 in Mailand vertrat Pflimlin die Idee, über eine Regierungskonferenz vertraglich eine institutionelle Reform einzuleiten. In diesem Zusammenhang schlug er vor, die Befugnisse des Parlaments auszuweiten. Seine Bemühungen liefen jedoch ins Leere, und aus Enttäuschung über die „Einheitliche Akte“ enthielt er sich seiner endgültigen Unterschrift. Die EU hatte es nämlich nicht geschafft, einstimmige Beschlüsse zu fassen. „Mehr Europa ist schön und gut, aber von einem supranationalen Europa sind wir noch weit entfernt“, titelten damals die Medien.

Pflimlin war stets von der Bedeutung des Europäischen Parlaments überzeugt. Zugleich achtete er aber darauf, die Arbeit der Europäischen Gemeinschaft nie zu behindern. Im Juni 2000 starb er im Alter von 93 Jahren.

European Parliament Pflimlin Building, StrasbourgAußenansicht des Pflimlin-Gebäudes in Straßburg © Europäische Gemeinschaften 1992 – Europäisches Parlament