Die Menschen hinter den Namen der Gebäude des Europäischen Parlaments: Salvador de Madariaga


Salvador de Madariaga building, StrasbourgAußenansicht des Salvador-de-Madariaga-Gebäudes in Straßburg © Europäische Union – Europäisches Parlament © Architektur: Architecture Studio

Ein pazifistischer, scharfsinniger Staatsmann

Er mag nicht zu den bekanntesten Europäern gehören, und doch ist eines der EU-Gebäude in Straßburg heute nach ihm benannt: Das Salvador-de-Madariaga-Gebäude beherbergt die Büros und Sitzungssäle des Parlaments sowie der Europäischen Ombudsstelle. Mit diesem Porträt möchten wir den engagierten Pazifisten Salvador de Madariaga in den Blick rücken. Denn sein Einsatz für die Gründung der heutigen Europäischen Union spielte sich abseits des Rampenlichts ab, in dem die anderen Gründerväter in dieser Reihe standen.

Salvador de Madariaga wurde 1886 in A Coruña im spanischen Galicien geboren. Er wuchs als einer von drei Söhnen in einer angesehenen spanischen Familie auf. Sein Vater, ein Offizier der spanischen Armee, war überzeugt, Spanien habe im Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 gegen die Vereinigten Staaten verloren, weil es technisch rückständig gewesen sei. Deshalb ermutigte er seinen Sohn zu einer internationalen technischen Ausbildung und drängte ihn dazu, Ingenieurwissenschaften zu studieren. 1911 schloss Madariaga sein Studium an der Pariser Elitehochschule École des Mines ab und begann in Nordspanien seine Karriere als Ingenieur bei der Eisenbahngesellschaft „Compañía de los Caminos de Hierro del Norte de España“. 1916 zog er nach London, um dort als Journalist zu arbeiten. 1921 wurde Madariaga für das Sekretariat des Völkerbundes in Genf tätig, wo er bald zum Leiter der Abteilung für Abrüstung aufstieg.

Salvador de Madariaga sculpture
Skulptur von Salvador de Madariaga im Europäischen Parlament in Straßburg © Europäische Gemeinschaften 1986

Der Völkerbund

Madariagas Memoiren, die er mit 80 Jahren schrieb und die den Zeitraum von 1921 bis 1936 beschreiben, vermitteln uns einen Einblick in die Stimmung und die Vorgänge im Völkerbund. Es sind in erster Linie persönliche Erinnerungen, keine offiziellen Aufzeichnungen. Die meisten seiner privaten Unterlagen wurden vernichtet, als Franco Madrid unter seine Kontrolle brachte, wo Madariagas Haus und Büro gewesen waren. Trotzdem zeichnen Madariagas Erinnerungen ein lebhaftes Bild sowohl von seiner Zeit, als auch von dieser internationalen Organisation, an deren Stelle später die Vereinten Nationen treten sollten – und zwar in denselben Räumlichkeiten.

Salvador de Madariaga verließ 1928 das Sekretariat des Völkerbundes, weil eine Schlüsselposition mit einem faschistischen Beamten besetzt wurde. Zu dieser Ernennung schreibt er: „aquí comenzó el descenso del Secretariado“ („hier begann der Niedergang des Sekretariats“). Danach zog er sich aus den internationalen Machtkreisen zurück und wurde Professor für spanische Literatur an der Universität Oxford.

Ein Leben im Exil

1931 wurde Madariaga während der Zweiten Spanischen Republik zunächst Abgeordneter im Parlament, dann Bildungsminister (1931–1934), Justizminister (1934) und später Spaniens Botschafter in den Vereinigten Staaten und in Frankreich. Er vertrat Spanien außerdem mehrmals im Völkerbund.

Als Franco an die Macht kam, trat Madariaga zurück und zog ins Ausland. Er lebte vor allem im Vereinigten Königreich und in der Schweiz, wo er unterrichtete, schrieb und sich journalistisch betätigte. Er setzte sich tatkräftig im Kampf gegen den aggressiven Nationalismus ein, der die Arbeit des Völkerbundes untergraben hatte. In seinen eigenen Worten: „Si la paz y el espíritu europeo han de mantenerse vivos, se precisarán muchos más ciudadanos del mundo y más europeos como yo he tratado de ser“ („Es braucht viel mehr Weltbürger und Europäer – wie ich es zu sein versucht habe –, wenn der Frieden und der europäische Geist aufrechterhalten werden sollen“). 

Seine ersten Texte zu Europa schrieb Madariaga Ende der 1930er-Jahre. 1939 forderte er in „Le Grand Dessein“ („Das große Vorhaben“) die Schaffung einer europäischen Union, die er als Vorstufe zum Aufbau einer universellen Vereinigung, einer Weltrepublik, verstand. 1952 pries er in „L’Esprit de l’Europe“ („Die Seele Europas“) den kulturellen Reichtum des Kontinents.

Die Gründung des Europarats

Salvador de Madariaga setzte sich nicht nur für den Völkerbund, sondern auch für die europäische Sache ein. Im Mai 1948 führte er den Vorsitz im Kulturausschuss des Haager Kongresses, dessen Arbeit in die Gründung des Europarates mündete. Später leitete er die Kulturabteilung der Europäischen Bewegung. In dieser Eigenschaft führte er 1949 den Vorsitz der Europäischen Kulturkonferenz in Lausanne.

Er war Mitgründer des Europakollegs in Brügge, dem ältesten Institut für postgraduale Europastudien. 1973 wurde sein Beitrag zum gegenseitigen Verständnis in Europa mit dem Karlspreis gewürdigt. Madariaga war mit Herz und Seele Pazifist und hielt die Rechte und Freiheiten des Einzelnen stets hoch. So kehrte er erst 1976 nach Francos Tod nach Spanien zurück. Zwei Jahre später verstarb er im Alter von 92 Jahren.

European Parliament Madariaga Building, StrasbourgDas Salvador-de-Madariaga-Gebäude in Straßburg © Europäische Gemeinschaften 1993