Die Menschen hinter den Namen der Gebäude des Europäischen Parlaments: Winston Churchill


European Parliament Churchill Building, StrasbourgChurchill-Gebäude in Straßburg © Europäische Union 2019 – Europäisches Parlament

Ein Fürsprecher der europäischen Einigung und einer der Ersten, die sich für „Vereinigte Staaten von Europa“ aussprachen

Von all den bedeutenden Persönlichkeiten in dieser Reihe ist Winston Churchill zweifellos der bekannteste. Anders als die anderen „Gründerväter Europas“ ist Churchill in den Geschichtsbüchern allgegenwärtig – und zwar für seine führende Rolle als britischer Premierminister im Zweiten Weltkrieg. Der britische Kriegsführer war überzeugt: Das Heilmittel, das Europa „frei und glücklich“ macht, ist „die Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie, oder doch so viel davon, wie möglich ist, indem wir ihr eine Struktur geben, in welcher sie in Frieden, in Sicherheit und in Freiheit bestehen kann.“ Bekannt war auch seine Aussage „wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten“.

European Parliament Churchill Building, StrasbourgEingang des Churchill-Gebäudes in Straßburg © Europäische Union 2019 – Europäisches Parlament

Churchills Jugend und die Politik

Winston Churchill wurde am 30. November 1874 in eine britische Adelsfamilie geboren. Seine Kindheit war privilegiert, doch auf das Privileg einer gründlichen Schulbildung hätte der junge Churchill am liebsten verzichtet. Nach Abschluss seines Studiums besuchte er die königliche Militärakademie im südenglischen Sandhurst, nachdem er die Aufnahmeprüfung beim dritten Versuch bestanden hatte. Churchill schloss die Militärakademie als Kavallerieoffizier ab und schlug eine militärische Laufbahn ein. In den darauffolgenden fünf Jahren diente er auf drei Kontinenten. Dafür erhielt er vier Medaillen und den britischen ritterlichen Verdienstorden „Order of Merit“. Doch nicht nur im militärischen Bereich tat sich Churchill hervor: Er schrieb außerdem fünf Bücher und wurde ins Parlament gewählt – das alles noch vor seinem 26. Geburtstag.

Zur damaligen Zeit hielten die Konflikte des britischen Kolonialreichs die britische Armee in Schach, und Churchill arbeitete als Kriegsberichterstatter für mehrere Londoner Zeitungen. Nachdem er aus einem Kriegsgefangenenlager hatte entkommen können, kehrte Churchill 1900 nach England zurück, um sich dort der Politik zu widmen. Ursprünglich wurde er als konservativer Abgeordneter ins Parlament gewählt, doch später lief er zu den Liberalen über. Nach 15 Jahren kehrte er zum Militär zurück und übernahm das Kommando über das in Frankreich stationierte sechste Bataillon des schottischen Regiments „Royal Scots Fusiliers“. Als 1917 eine neue Regierung gebildet wurde, ernannte man Churchill zum „Minister of Munition“ – ein Amt, das als Reaktion auf die Munitionskrise von 1915 geschaffen worden war. In den darauffolgenden Jahren war er nicht nur mit dem Außenministerium betraut, sondern hatte bis 1929 auch viele wichtige Ministerämter inne.

1929 zog Churchill sich aus der aktiven Politik der Konservativen Partei, der er 1924 formell wieder beigetreten war, zurück. Er widmete sich wieder dem geschriebenen Wort und verfasste Artikel und Bücher zu geschichtlichen Themen. Churchill war einer der Ersten, die die wachsende Bedrohung durch Hitler erkannten. Lange vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs machte er bereits darauf aufmerksam. Er übte scharfe Kritik an der Beschwichtigungspolitik und dem Münchner Abkommen.

Winston ChurchillPortrait des britischen Premierministers Winston Churchill zu Kriegszeiten nach einer Rede im kanadischen Unterhaus am 30. Dezember 1941 © National Portrait Gallery (Vereinigtes Königreich)

Vereinigte Staaten von Europa

Der Kriegsausbruch im Jahr 1939 zeigte schließlich, dass Churchills Sorgen begründet waren. Im Mai 1940 wurde er britischer Premierminister. Er bildete eine nationale Einheitsregierung, um das Vereinigte Königreich durch die turbulenten Kriegsjahre zu führen. Churchill lehnte es kategorisch ab, mit den Nationalsozialisten zu verhandeln oder sich gar zu ergeben. Dadurch legte er das Fundament des britischen Widerstands – vor allem zu Beginn des Krieges, als sein Land Hitler allein entgegentrat. Bei der Wahl direkt nach dem Krieg ging Churchill dennoch nicht als Gewinner hervor. Aus der internationalen Politik zog er sich jedoch nicht zurück.

In einer Rede in Fulton im US-Bundesstaat Missouri sprach Churchill die Worte aus, die zum Synonym für die sowjetische Bedrohung für Europa werden sollten: Ein eiserner Vorhang habe sich über den Kontinent gesenkt. 1946 machte er sich in einer anderen Rede für die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ stark. Winston Churchill war ein ausgezeichneter Redner. Er forderte die Bevölkerung Europas auf, den Schrecken der Vergangenheit den Rücken zu kehren und sich der Zukunft zuzuwenden. Der erste Schritt zur Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie sei, eine Art Vereinigte Staaten von Europa zu errichten.

Churchill war einer der Ersten, der sich für die Einigung Europas aussprach. Die Gräueltaten der zwei Weltkriege sollten dadurch für immer der Vergangenheit angehören. Seine persönliche Meinung zur politischen Organisation Europas tat er vor allem in einer berühmten Rede im September 1946 in Zürich kund. Darin rief er zur Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich auf und forderte die Gründung eines Europarats. Letztere folgte schließlich am 5. Mai 1949. Churchill wurde Mitglied der Beratenden Versammlung des neuen Europarats – somit hatte er eine ideale Plattform gefunden, um sich für seine Überzeugungen starkzumachen.

Für Churchill lag der Schwerpunkt weniger auf der wirtschaftlichen Integration, sondern vielmehr auf der Verteidigung Europas. Von ihm stammte auch die Idee, eine gemeinsame europäische Armee aufzubauen. Darin sah er eine Möglichkeit, Europa zu schützen und der europäischen Diplomatie zur Zeit des Koreakrieges mehr Gewicht zu verleihen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurde 1959 eingerichtet – rund 10 Jahre, nachdem Churchill sich dafür ausgesprochen hatte. Churchill appellierte an die Bevölkerung Europas, im Kampf gegen Nationalsozialismus und Faschismus zusammenzuhalten. In seiner zweiten Amtszeit als Premierminister von 1951 bis 1955 setzte er sich dennoch nicht für eine Teilnahme des Vereinigten Königreichs an den Verhandlungen zum Schuman-Plan ein.

Winston Churchill starb im Januar 1965. Sein Einsatz für Europa und die europäische Einheit bleibt unvergessen.

European Parliament Churchill Building, StrasbourgAußenansicht des Churchill-Gebäudes des Europäischen Parlaments in Straßburg © Europäische Union – Europäisches Parlament © Architekt: Architecture Studio