Der Bestand von Enrique Barón Crespo


Election Enrique Baron CrespoWahl des neuen EP-Präsidenten Enrique Barón Crespo während der Plenarsitzung in Straßburg am 25. Juli 1989 © Europäische Gemeinschaften 1989

„Vorbei sind die Zeiten, in denen Kommissionsbeamte Legislativvorschläge [...] verfassen und sie dann dem Parlament und dem Rat als vollendete Tatsachen vorlegen konnten. Heute muss die Kommission bei der Ausarbeitung von Legislativvorschlägen die Positionen des Parlaments berücksichtigen. Sie weiß, dass das Schicksal dieser Rechtsvorschriften in unseren Händen liegt.“

Biografie

Enrique Barón Crespo wurde am 27. März 1944 in Madrid geboren. Er verfügt über einen Abschluss in Rechtswissenschaften der Universität von Madrid, einen Abschluss in Handelswissenschaften der ICADE Business School und ist Absolvent der ESSEC (Hochschule für Wirtschaft und Handel) in Paris. Er war von 1965 bis 1970 Lehrbeauftragter für Agrarwirtschaft am ENEA (Nationales Institut für Agrarstudien) in Valladolid und Lehrbeauftragter für Wirtschaftsstrukturen an der Universität Complutense in Madrid. Als aktiver Teilnehmer an der 68er-Bewegung gehörte er der Sozialistischen Konvergenz von Madrid (Convergencia Socialista de Madrid) an und war eine der Führungspersönlichkeiten des Parteienbündnisses Federación de Partidos Socialistas am Beginn des Übergangs zur Demokratie in Spanien.

Von 1970 bis 1977 war Enrique Barón Crespo als Rechtsanwalt tätig. Er vertrat mit Engagement Beklagte in politischen Fällen vor dem Gericht für öffentliche Ordnung und in gleicher Weise verteidigte er auch Gewerkschaftsführer.

Seit 2009 ist er im Europäischen Parlament nicht mehr politisch aktiv. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht und zahlreiche Artikel über die europäische Integration verfasst. Er ist außerdem Präsident und Gründungsmitglied der Internationalen Yehudi-Menuhin-Stiftung und Verwaltungsmitglied der Denkfabrik Friends of Europe.

Politische Ämter

• 1982–1985: Spanischer Minister für Verkehr, Tourismus und Kommunikation in der ersten Regierung Felipe González (1982–1986)
• 1986–2009: Mitglied des Europäischen Parlaments (Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas)
• 1986–1987: Mitglied des Institutionellen Ausschusses
• 1986–1989: Mitglied des Haushaltsausschusses
• 1986–1989, 2004–2009: Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten.
• 1989–1992: Präsident des Europäischen Parlaments
• 1992–2002: Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu Japan
• 1992–1994: Vorsitzender und dann 1994–1999: Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und Verteidigungspolitik
• 1997–1999: Mitglied des Unterausschusses für Sicherheit und Abrüstung
• 1999–2004: Vorsitzender der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas
• 1999–2004 und 2007–2009: Mitglied des Ausschusses für konstitutionelle Fragen
• 2004–2007: Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel

Was sich im Archiv befindet

Der Bestand des Kabinetts von Enrique Barón Crespo (1989–1992) umfasst über 1 000 Akten mit über 8 900 Elementen, die nach den verschiedenen Tätigkeitsbereichen des Kabinetts des Präsidenten geordnet sind. Innerhalb jeder einzelnen Serie sind die Dokumente in Akten zusammengefasst, die sich auf die einzelnen während der Amtszeit von Enrique Barón Crespo behandelten Verfahren beziehen.

Persönlichkeit des öffentlichen Lebens

PE3 P1 100/PERS

Die Seriengruppe besteht aus sieben Serien zu Themen, die sich auf die Rolle des Präsidenten als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens beziehen. Die größten Serien sind jene, die sich auf Schirmherrschaften und Veranstaltungen, die Darstellung des Präsidenten in den Medien und die Verteidigung der Menschenrechte beziehen.

Präsidentschaft des Parlaments

PE3 P1 200/PRES

Diese Seriengruppe besteht aus sieben Serien zu Themen, die sich auf die politischen Aufgaben des Präsidenten beziehen.

Die erste davon, „Ausübung der Präsidentschaft“, bezieht sich auf die Tätigkeit des Präsidenten als Vorsitzender der Institution und ihr Vertreter, sei es die Teilnahme an Plenarsitzungen oder Sitzungen der Beschlussorgane des Parlaments (Präsidium und erweitertes Präsidium), der Empfang namhafter Persönlichkeiten und die Durchführung von offiziellen Besuchen. Die folgenden vier Serien beziehen sich auf die Beziehungen des Präsidenten mit Einrichtungen und Personen: Interinstitutionelle Beziehungen (Rat, Kommission und andere Einrichtungen der Gemeinschaft), interparlamentarische Beziehungen (Mitgliedstaaten und Drittländer), Außenbeziehungen (Mitgliedstaaten, Drittländer, internationale Organisationen, nationale politische Parteien und Gewerkschaften usw.), Beziehungen zur Presse und Beziehungen zur Öffentlichkeit (Verteidigung der Menschenrechte, Gleichwertigkeit von Qualifikationen).

Die vorletzte Serie enthält Dokumente betreffend die Beziehungen mit einigen politischen Organen des Europäischen Parlaments, wie das Kollegium der Quästoren, die parlamentarischen Ausschüsse und Delegationen und die Fraktionen.

Die letzte Serie bezieht sich allein auf das Kabinett des Präsidenten, was dessen Organisation, Funktionsweise und die Post (chronologisch abgelegt nach eingehender und ausgehender Post) betrifft.

Sekretariat des Parlaments

PE3 P1 300/SECR

Diese Seriengruppe enthält Dokumente in Bezug auf die administrativen und rechtlichen Aufgaben des Kabinetts des Präsidenten, d. h. dessen Beziehungen mit den verschiedenen Generaldirektionen und dem Juristischen Dienst. Die größte Serie betrifft Beziehungen mit den Generaldirektionen für Ausschüsse und Delegationen, Infrastruktur und Dolmetschen und mit dem Juristischen Dienst.

Personalvertretung und Fraktionen

PE3 P1 400/CPGP

Die letzte Seriengruppe enthält die Serien betreffend die Beziehungen mit der Personalvertretung, den Gewerkschaften und den Fraktionssekretariaten.

Reflexionen der Präsidenten des Europäischen Parlaments: Enrique Barón Crespo

Der Zeitraum, in dem ich den Vorsitz im Europäischen Parlament innehatte, war für Europa eine geschichtliche Umbruchphase. Ich übernahm das Amt des Präsidenten des Europäischen Parlaments im Juli 1989 und setzte meinen Schlusspunkt in diesem Amt, als ich im Namen des Parlaments auf dem Europäischen Rat in Maastricht den Vorschlag zur Gründung der Europäischen Union unterbreitete.

Das erste Schlüsselereignis war der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989; er symbolisierte den Niedergang des Eisernen Vorhangs, der den Kontinent in zwei Lager gespalten hatte, und läutete das Ende des Kalten Kriegs ein. Ich begrüßte diese Entwicklung und meine erste Reaktion war, Präsident Mitterand und Kanzler Kohl noch im November gemeinsam zu einer Plenarsitzung des Europäischen Parlaments einzuladen, um den Willen zur aktiven Unterstützung des deutschen Vereinigungsprozesses zum Ausdruck zu bringen, zu dessen Zweck ein nichtständiger Ausschuss des Parlaments eingesetzt wurde.

European Parliament President Enrique Baron CrespoDer deutsche Kanzler Helmut Kohl (links) und der französische Präsident François Mitterrand (Mitte) sprechen im November 1989 nach dem Fall der Berliner Mauer in einer feierlichen Plenarsitzung in Straßburg. Abbildung mit EP-Präsident Enrique Barón Crespo (rechts) © Europäische Union 1989 – Europäisches Parlament

Von da an überschlugen sich die Ereignisse. In meiner ersten Rede vor dem Europäischen Rat in Straßburg im Dezember 1989 gab ich den festen Willen des Europäischen Parlaments bekannt, alle Mitgliedstaaten zu gemeinsamen Anstrengungen zu bewegen, um den Weg für den Beitritt der Länder Mittel- und Osteuropas zu ebnen.

Bei dieser Gelegenheit schlug ich im Namen des Europäischen Parlaments einen Zehn-Punkte-Plan mit dem Ziel vor, die vorgesehene Regierungskonferenz (RK) zur Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) durch eine weitere zum Thema Politische Union zu ergänzen. Um diese Reform nicht nur in den Händen der Regierungen zu belassen, bot ich im Hinblick auf die Stärkung des demokratischen Charakters und der Effektivität der Reform die Unterstützung des Parlaments an, was folglich den Prozess einleitete, der zum Vorschlag und schließlich zur Einrichtung der Vorbereitenden Regierungskonferenz (VRK) führte. Dies hatte zur Folge, dass im März 1990 die erste Einladung des Ministerrates in der Geschichte der Europäischen Gemeinschaft an einen Präsidenten des Europäischen Parlaments erging, unseren Vorschlag der VRK zu erläutern.

Von diesem Zeitpunkt an stand die Agenda im Zeichen einer rasanten geschichtlichen Entwicklung, in der ein Ereignis das andere ablöste. Die Länder, die sich von der totalitären Unterdrückung befreiten, wollten den Präsidenten des Europäischen Parlaments empfangen, eines Parlaments, das für die Demokratie und Freiheit steht, nach der sich diese Länder so viele Jahre gesehnt hatten.

Als bedeutende Meilensteine im Jahr 1990 seien hervorgehoben: die Einladung des polnischen Parlaments vom Februar zur Darlegung des Standpunkts des Europäischen Parlaments, danach des ungarischen Parlaments und später des tschechoslowakischen; am 3. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit, mit einer Zeremonie im Bundestag im Beisein von Bundespräsident Richard von Weizsäcker und dem Präsidenten der Kommission Jacques Delors, sowie mir als Präsidenten des EP, der ich am selben Tag eine Ansprache in der Paulskirche von Frankfurt gab, dem Symbol des deutschen Konstitutionalismus.

In diesem Feuerwerk von Demokratie und Reformen erlangten die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten ihre volle Bedeutung. Gemeinsam organisierten wir am 29. November 1990 die „Assises“. Dabei handelte es sich um die erste Konferenz des Europäischen Parlaments und der Parlamente der Mitgliedstaaten in Montecitorio (Rom), auf der eine gemeinsame Erklärung angenommen wurde, eine Bekundung des Willens, den Schritt zur Europäischen Union zu gehen. Im Dezember hatte ich die Ehre, sie auf dem Europäischen Rat von Rom vorzulegen, der die gleichzeitige Einberufung beider RK beschloss, einer für die WWU und einer für die Politische Union.

Während des Jahres 1991 machten die Tagungen der Vorbereitenden Regierungskonferenz zum ersten Mal einen Dialog von 12 Vertretern des Europäischen Parlaments mit den 12 Regierungen, dem Rat und der Kommission möglich. Die Vertretung des EP konnte eine so genannte „reduzierte Liste“ ihrer Vorschläge erarbeiten, die sehr hilfreich für die Einbeziehung wesentlicher Fragen war. Diese leiten sich zum größten Teil aus dem 1984 angenommenen Vertragsentwurf ab und wurden durch seither gemachte Erfahrungen ergänzt. Die wichtigsten Punkte waren folgende: die europäische Staatsbürgerschaft mit der Einheitswährung als Pfeiler, die Mitentscheidung als ordentliches Gesetzgebungsverfahren, die Teilnahme an der Wahl des Präsidenten der Kommission, dessen Mandat von zwei auf fünf Jahre verlängert wurde, und die Anerkennung der europäischen politischen Parteien.

European Parliament President Enrique Baron CrespoRegierungskonferenz in Luxemburg am 8. April 1991 © Europäische Gemeinschaften 1991 – Europäisches Parlament

Neben der großen Dynamik innerhalb der Gemeinschaft durchlebte Europa Momente regelrechter politischer Erdbeben, an denen auch das Europäische Parlament beteiligt war.

Der dramatischste Augenblick war das tragische Auseinanderbrechen des ehemaligen Jugoslawiens, das den inneren Zusammenhalt der Gemeinschaft auf die Probe stellte und bei dem ich im Namen des Parlaments alle nur möglichen Anstrengungen unternahm, um mit den Präsidenten der Parlamente der Föderation und ihrer Republiken zu friedlichen Lösungen zu finden.

Der Prozess mit den größten Auswirkungen war aber dennoch die Implosion der Sowjetunion, in deren Rahmen der Besuch von Außenminister Schewardnadse und das spätere Treffen mit Herrn Gorbatschow spannungsgeladene Momente bildeten.

Hinzu kam die Unterstützung für den schwierigen und mühsamen Friedensprozess im Nahen Osten. Gleich am Tag der Eröffnung der Friedenskonferenz in Madrid brachte ich unsere Position gegenüber der israelischen Knesset zum Ausdruck, und das Parlament hörte in feierlichen Sitzungen die Reden von König Hussein von Jordanien und Präsident Mubarak.

Glücklicherweise wehte der Wind der Freiheit nicht nur in Europa.

Auch auf anderen Erdteilen hatte ich Gelegenheit, die europäische Solidarität und unsere Unterstützung für den Prozess des demokratischen Übergangs zum Ausdruck zu bringen, etwa vor dem Parlament Chiles in Valparaíso, und ich konnte den Sacharow-Preis an Preisträger überreichen, die für den universellen Charakter der Werte Demokratie und Menschenrechte stehen: an Nelson Mandela, Alexander Dubček sowie an den Ehemann und den Sohn von Aung San Suu Kyi, die auf bemerkenswerte Weise Würde und Standhaftigkeit verkörperte.

European Parliament President Enrique Baron CrespoSacharow-Preisträger Nelson Mandela (rechts) trifft den EP-Präsidenten Enrique Barón Crespo (links) in Straßburg © Europäische Gemeinschaften 1990

Ein weiteres bedeutsames Ereignis war die Unterzeichnung des Vertrags über den Erwerb des gegenwärtigen EP-Komplexes in Brüssel, der nach mühsamen und schwierigen Verhandlungen zustande kam und es ermöglichte, nicht nur Plenarsitzungen in Brüssel abzuhalten, sondern auch die Voraussetzungen für künftige Erweiterungen zu schaffen. Darüber hinaus konnte ich den Vertrag herbeiführen, durch den das jetzige Gebäude in Straßburg ermöglicht wurde.

Doch der emotionalste Moment war meiner Ansicht nach ohne Zweifel meine letzte Rede als EP-Präsident vor dem Europäischen Rat in Maastricht. Darin rief ich die dort versammelten Staats- und Regierungschefs auf, den Mut zu haben, gemeinsam den Schritt zur Europäischen Union zu gehen, und ich erläuterte mit Nachdruck die Vorschläge des Europäischen Parlaments für deren demokratischere und effektivere Gestaltung. Angesichts des Ergebnisses der RK lässt sich sagen, dass unsere Stimme Gehör fand und dass eine neue Etappe des europäischen Aufbaus eingeleitet wurde. Es steht zu erwarten, dass sie nach Amsterdam, Nizza und der Verfassung ihren Höhepunkt im Vertrag von Lissabon finden wird.

Signature of Enrique Baron Crespo