Der Bestand von Egon A. Klepsch


European Parliament President Egon A. KlepschEP-Präsident Egon Klepsch in seinem Büro in Straßburg © Europäische Gemeinschaften 1992 – Europäisches Parlament

„Ich habe mich stets dafür eingesetzt, dass die Arbeit des Parlaments den Geist eines geeinten Europas verkörpert. Letzten Endes werden die 'Mühen der Ebene' überstrahlt von den 'Sternstunden' des Europäischen Parlaments.“

Biografie

Egon Klepsch wurde am 30. Januar 1930 an der Grenze zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei in einem Dorf namens Bodenbach geboren. Sein Vater war Angestellter einer Handelsfirma. Nach dem Krieg studierte er in Magdeburg, wo er Mitglied einer Widerstandsgruppe innerhalb der „Freien Deutschen Jugend“ war, und danach in Rostock und dann in Marburg in Westdeutschland. Er beendete sein Geografie- und Geschichte-Studium 1954 mit einer Promotion über die russisch-deutschen Beziehungen unter dem Außenminister Gustav Stresemann.

Von 1959 bis 1965 war er Dozent für internationale Politik am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr. 1965 war er kurzzeitig als Wahlkampforganisator für Ludwig Erhard tätig. 1969 wurde er vom Bundestag zum Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union ernannt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Europäischen Parlament 1994 wurde er Berater einer Versicherungsgesellschaft.

Egon Klepsch verstarb am 18. September 2010.

Politische Ämter

• 1963–1969: Bundesvorsitzender der „Jungen Union“
• 1964–1970: Präsident der Internationalen Union Junger Christlicher Demokraten Europas
• 1965–1980: Mitglied des Bundestags
• 1973-1994: Mitglied des Europäischen Parlaments
• 1977-1992: Vizepräsident der Europäischen Volkspartei (EVP)
• 1977-1982 und 1984-1992: Vorsitzender zuerst der Christlich-Demokratischen (CD)- und dann der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament
• 1982–1984: Vizepräsident des Europäischen Parlaments
• 1989–1997: Präsident der Europa-Union Deutschland
• 1992–1994: Präsident des Europäischen Parlaments

Was sich im Archiv befindet

Der Bestand des Kabinetts von Egon Klepsch (1992–1994) umfasst mehr als 1 000 Akten mit über 9 000 Elementen.

Persönlichkeit des öffentlichen Lebens

PE3 P2 100/PERS

Diese Seriengruppe besteht aus sieben Serien zu Themen, die sich auf die Rolle des Präsidenten als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens beziehen. Die größten Serien sind jene, die sich auf die Darstellung des Präsidenten in den Medien, Ehrenauszeichnungen und die Verteidigung der Menschenrechte beziehen.

Präsidentschaft des Parlaments

PE3 P2 200/PRES

Diese Seriengruppe besteht aus acht Serien zu Themen, die sich auf die politischen Aufgaben des Präsidenten beziehen:

Die erste Unterserie, „Ausübung der Präsidentschaft“, bezieht sich auf die Tätigkeit des Präsidenten als Vorsitzender der Institution und ihr Vertreter, sei es die Teilnahme an Anhörungen und die Durchführung von Höflichkeitsbesuchen, der Empfang namhafter Persönlichkeiten und die Durchführung von offiziellen Besuchen.

Die folgenden vier Serien beziehen sich auf die Beziehungen des Präsidenten zu Einrichtungen und Personen: interinstitutionelle Beziehungen (Rat, Kommission und andere Einrichtungen der Gemeinschaft), interparlamentarische Beziehungen (Mitgliedstaaten und Drittländer), Außenbeziehungen (Mitgliedstaaten, Drittländer, internationale Organisationen, nationale politische Parteien und Gewerkschaften usw.), Beziehungen zur Presse und Beziehungen zur Öffentlichkeit (insbesondere Förderanträge, Verteidigung der Menschenrechte, Gleichwertigkeit der Zeugnisse).

Die vorletzte Serie enthält Dokumente betreffend die Beziehungen mit einigen politischen Organen des Europäischen Parlaments, wie das Kollegium der Quästoren, die parlamentarischen Ausschüsse und Delegationen und die Fraktionen.

Die letzte Serie bezieht sich allein auf das Kabinett des Präsidenten, vor allem unter dem Aspekt seiner Organisation, seiner Funktionsweise und der Post (chronologisch abgelegt nach eingehender und ausgehender Post).

Sekretariat des Parlaments

PE3 P2 300/SECR

Diese Seriengruppe enthält Dokumente in Bezug auf die administrativen und rechtlichen Aufgaben des Kabinetts des Präsidenten, d. h. dessen Beziehungen mit den verschiedenen Generaldirektionen und dem Juristischen Dienst. In der größten Serie geht es vor allem um Beziehungen mit dem Rechtsberater, der GD Information und Öffentlichkeitsarbeit (insbesondere die Unterserie Informationspolitik und Pressedienste) und den GDs Infrastruktur und Dolmetschen.

Personalvertretung und Fraktionen

PE3 P2 400/CPGP

Die letzte Seriengruppe enthält die Serien betreffend die Beziehungen mit der Personalvertretung, den Gewerkschaften und den Fraktionssekretariaten.

Reflexionen der Präsidenten des Europäischen Parlaments: Egon A. Klepsch

In der zweiten Hälfte der Wahlperiode 1989-1994 war ich Präsident des Europäischen Parlaments. Die Wahrnehmung meines Amtes fiel in eine ereignisreiche Zeit, in der Europa nach den Umbrüchen des Jahres 1989 und dem Ende des Kalten Krieges nach einer gemeinsamen Zukunft strebte. Der Europäischen Union, die noch in den 80er-Jahren unter "Europamüdigkeit" vieler Bürger zu leiden hatte, kam nun eine neue Schlüsselfunktion zu. Während meiner Amtszeit war allerdings die erste Euphorie über den Fall der Mauer und die Beseitigung des Eisernen Vorhangs verflogen. Jetzt ging es darum, dem schwierigen Prozess des gesamteuropäischen Zusammenwachsens Richtung und Gestalt zu verleihen. Die Bürger Mittel- und Osteuropas, die voller Freiheitsdrang den Aufbruch in eine neue Zeit wagten, richteten ihren Blick und ihre Hoffnungen mehr denn je auf die Europäische Union. Die damalige Zwölfergemeinschaft wirkte wie ein Magnet auf beitrittswillige Länder, zugleich war mir bewusst, dass diesem Magneten vielfach noch die innere Kraft fehlte. Damals ging es darum, die Wucht der historischen Umwälzungen in geordnete politische Bahnen zu lenken. Erweiterung und Vertiefung der Gemeinschaft standen gleichzeitig auf der Tagesordnung. Diesen beiden Polen waren die großen europapolitischen Höhepunkte der Jahre 1992 bis 1994 zuzuordnen:

Am 7. Februar 1992 wurde der Maastrichter Vertrag mit dem Ziel der Gründung der Europäischen Union unterzeichnet. Ich war in Maastricht für das Europäische Parlament dabei, als dieser Weichen stellende Vertrag unterzeichnet wurde, der zur Wirtschafts- und Währungsunion und zur Einführung des Euro führte. Die Ratifizierung erfolgte nach einem Wechselbad der Gefühle, ausgelöst durch das Nein (Juni 1992) und Ja (Mai 1993) der Dänen.

Zum Jahreswechsel 1992/1993 wurde der europäische Binnenmarkt vollendet. An der Gestaltung dieses wirtschaftlichen Kraftzentrums in Europa mit seinen Freiheiten für Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital hatte das Europäische Parlament – ungeachtet noch zu geringer Kompetenzen – hohen Einfluss. Die damals erworbene Reputation konnte das Parlament in der Folgezeit für einen Ausbau der Befugnisse nutzen.

Der Beschluss zur Aufnahme von Österreich, Finnland und Schweden in die Europäische Union erfolgte am 1. März 1994 mit großer Zustimmung des Europäischen Parlaments. Die Erweiterung der damaligen Zwölfergemeinschaft um diese drei Länder war damit beschlossene Sache.

European Parliament President Egon A. KlepschPlenarsitzung in Straßburg – Abstimmung über die Erweiterung der Europäischen Union um Norwegen, Österreich, Finnland und Schweden. Abgebildet: EP-Präsident Egon Klepsch (Mitte), EP-Generalsekretär Enrico Vinci (rechts) © Europäische Union 1994 – Europäisches Parlament

Zugleich wurden damals die Forderungen nach einer Osterweiterung der Europäischen Union immer lebhafter. Der Europäische Rat in Kopenhagen formulierte im Juni 1993 mit den „Kopenhagener Kriterien“ die Anforderungen. Im Frühjahr 1994 stellten Ungarn und Polen bereits ihre Beitrittsanträge.

Bei der Europawahl im Juni 1994 konnte das Europäische Parlament mit den größeren Befugnissen vor die Wähler treten, die ihm im Maastrichter Vertrag zugesprochen worden waren. Leider ist es weder damals noch bei nachfolgenden Wahlen gelungen, die erweiterten Kompetenzen zu einem Treibsatz für eine höhere Wahlbeteiligung zu entwickeln.

Als ich an die Spitze des Europäischen Parlaments trat, begleiteten mich hohe Erwartungen, dass das Parlament maßgeblich die Entwicklung in eine neue Zukunft unseres Kontinents beeinflusst. Aus meiner Zeit als Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) wusste ich, dass das nur gelingen könnte, wenn Mehrheiten überparteilich organisiert werden, und auf dieser Basis das Gespräch auf gleicher Augenhöhe mit Rat und Kommission gesucht wird. In der Rückschau lässt sich sagen, dass das gelungen ist, weil die Volksvertretung ihre Kompetenzen ausbauen und nutzen konnte. Der Vertrag von Maastricht brachte ja nicht nur den Fahrplan zur Währungsunion und zum Euro, sondern – was längst nicht mehr alle wissen – einen erheblichen Ausbau der Kompetenzen des Europäischen Parlaments. Damals erfolgte die endgültige Umgestaltung von einem Parlament mit überwiegend beratendem Charakter zur Mitentscheidung in der Gesetzgebung. Diese Mitentscheidung galt damals in ausgewählten Bereichen, zum Beispiel Binnenmarkt, Verbraucherschutz und Umwelt. Mein Augenmerk als Präsident galt von Anfang an dem Anliegen, dieses Mitentscheidungsrecht in der Praxis zum Erfolg zu führen – und damit nach einiger Zeit den Ruf nach einer Ausweitung dieser Kompetenzen lauter werden zu lassen. Wenn man heute sieht, dass dies inzwischen zum Regelfall der europäischen Gesetzgebung geworden ist, muss man feststellen, dass meine damaligen strategischen Überlegungen zum Erfolg geführt haben. Dabei habe ich nicht nur die großen strategischen Linien verfolgt, sondern auch auf kleine Elemente, gewonnen aus dem Erfahrungsschatz als Parlamentarier, geachtet. So praktizierte ich in den Plenarsitzungen regelmäßig den so genannten Trialog zwischen den Spitzen von Rat, Kommission und Parlament. Um Terminzwängen auszuweichen, habe ich häufig zu einem gemeinsamen Mittagessen eingeladen, an dem nicht nur die Präsidenten, sondern auch die Kabinettchefs und Generalsekretäre teilnahmen. Dabei wurden Grundsatzfragen ebenso wie aktuelle Probleme besprochen und praktisch aufeinander abgestimmt. Diese Zusammenarbeit hat während der ganzen Zeit meiner Präsidentschaft sehr gut funktioniert. Das galt auch für weitere Organe, zum Beispiel Gerichtshof und Rechnungshof. So kam es dazu, dass bei den Haushaltsbesprechungen die übrigen Organe eine gemeinsame Linie suchten, die am Europäischen Parlament orientiert war – und häufig in Sachfragen ein ausschlaggebendes Gegengewicht zur Kommission bildete. Heute würde man sagen: Einfluss durch erfolgreiches Networking. Das große Ziel der Ausweitung parlamentarischer Mitbestimmung in Gesetzgebung und Haushalt musste durch eine Reihe von kleinen Änderungen in der politischen Praxis gemanagt werden. Die Zusammenarbeit mit den Fraktionen und Ausschüssen musste dem neuen Verfahren angepasst werden. Die ursprünglich informelle Zusammenarbeit zwischen Rat, Kommission und Parlament wurde allmählich auf die festere Grundlage interinstitutioneller Vereinbarungen gestellt. Damals eingeführte praktische Verbesserungen im Haushaltsverfahren waren in der Gesamtschau kleine, aber wichtige Schritte, die im weiteren Verlauf das Parlament zur machtvollen Haushaltsbehörde heutiger Tage gemacht haben.

European Parliament President Egon A. KlepschFraktionssitzung der Europäischen Volkspartei (EVP) in Luxemburg – Ernennung von Egon Klepsch (Mitte) als Parteikandidat für die Wahl des nächsten EP-Präsidenten © Europäische Gemeinschaften

Neben Haushalt und Gesetzgebung wuchs dem Europäischen Parlament durch Maastricht - und damit in meiner Amtszeit – das Recht zu, Ja oder Nein zur Aufnahme neuer Mitglieder zu sagen. Dieses Recht konnte bei der Erweiterung von 12 auf 15 Mitgliedstaaten ausgeübt und einer breiten Öffentlichkeit deutlich gemacht werden. Ein Jahrzehnt danach, bei der Osterweiterung, wurde das parlamentarische Zustimmungsrecht für eine historische Weichenstellung genutzt.

Als Parlamentspräsident konnte ich auf den EU-Gipfeln die Positionen des Europäischen Parlaments zur Geltung bringen. Dabei spielen auch scheinbar nebensächliche Gesten als Symbol protokollarischer Aufwertung eine Rolle. So wurde in meiner Amtszeit der Brauch eingeführt, den Parlamentspräsidenten nicht nur zu Beginn des Gipfeltreffens sprechen zu lassen, sondern ihn auch im Kreis der Staats- und Regierungschefs sowie des Kommissionspräsidenten abzulichten. Seit dem Gipfel von Birmingham im Herbst 1992 ist der Präsident des Europäischen Parlaments eine feste Größe auf dem offiziellen Teilnehmerbild, auch „Familienfoto“ genannt. Wichtiger als diese Gesten sind freilich die politischen Weichenstellungen, die in dieser Zeit auf den Gipfeln vorgenommen wurden. Dazu bot sich zwei Monate nach Birmingham in Edinburgh Gelegenheit. Dort habe ich den versammelten Staats- und Regierungschefs einen neuen Schlüssel für die Sitzverteilung im Europäischen Parlament vorgelegt. Als Folge der Wiedervereinigung erhielt Deutschland nunmehr 99 Sitze. Insgesamt wurden die Mandatszahlen stärker an der Größe der Mitgliedstaaten ausgerichtet – ein Gebot der Demokratie. Dieser Vorschlag wurde angenommen und in die Tat umgesetzt.

European Parliament President Egon A. KlepschEgon Klepsch trifft eine Besuchergruppe aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) © Europäische Gemeinschaften 1993

Hervorzuheben ist der Gipfel in Dänemark im Jahr 1993. Er eröffnete den mittel- und osteuropäischen Reformstaaten eine verlässliche Beitrittsperspektive. Das feste Versprechen wurde jedoch an verbindliche Bedingungen geknüpft, die so genannten „Kopenhagener Kriterien“. Das gab dem Kurs auf die EU eine klare Richtung: Umbau ehemals kommunistischer Regime in Demokratie und Rechtsstaat, Transformation ehemaliger Planwirtschaft in soziale Marktwirtschaft, und Übernahme des Gemeinschaftsrechts. Für mich als Vertreter des Europäischen Parlaments war es beim Kopenhagener Gipfel ein besonderes Anliegen, nicht nur auf die Beitrittsfähigkeit der Kandidaten zu achten, sondern auch die Aufnahmefähigkeit der Union im Blick zu behalten. Die Fähigkeit der damaligen Zwölfergemeinschaft, neue Mitglieder aufzunehmen, dabei jedoch die Stoßkraft der europäischen Integration zu erhalten, stellte einen wichtigen Gesichtspunkt dar. Die Saat von Kopenhagen ist in den folgenden Jahren aufgegangen, ein Jahrzehnt später konnte mit der großen Erweiterungsrunde des Jahres 2004 die Ernte eingefahren werden.

Während meiner Amtszeit von Januar 1992 bis zur Europawahl 1994 ist das Europäische Parlament ein gutes Stück vorangekommen auf dem Weg zur demokratischen Volksvertretung in Europa, die gleichberechtigt mit dem Rat Gesetze und Haushalt verabschiedet und damit die Geschicke von annähernd 500 Millionen Menschen lenkt. Damals galt meine Aufmerksamkeit häufig dem schrittweisen Vorankommen der europäischen Einigung in der parlamentarischen Arbeit. Doch in der Erinnerung werden die „Mühen der Ebene“ überstrahlt von den „Sternstunden“ des Europäischen Parlaments. Dazu zählten für mich die großartigen Europareden von Königin Elisabeth II und Vaclav Havel im Straßburger Plenum, bis heute lesenswerte Zeugnisse der gesamteuropäischen Einigung!

Egon A. Klepsch Signature