Der Bestand von Roberta Metsola


European Parliament President Roberta MetsolaPlenartagung - EP-Präsidentin Roberta Metsola während der Abstimmungen © Europäische Union 2022 – Europäisches Parlament
„Europa […] bedeutet, dass wir füreinander einstehen, dass wir unsere Völker einander näher bringen, dass wir alle die Grundsätze unserer Mütter und Väter verteidigen, die uns aus der Asche von Krieg und Holocaust zu Frieden, Hoffnung und Wohlstand geführt haben.“

Biografie

Roberta Metsola wurde am 18. Januar 1979 in St. Julians in Malta geboren. An der Universität Malta erwarb sie den Titel der Doktorin der Rechtswissenschaften und studierte danach am Europakolleg in Brüssel. In Ihrer Studienzeit war sie sehr aktiv in verschiedenen Organisationen tätig und war Generalsekretärin der Europäischen Demokratischen Studenten. Metsola arbeitete von 2004 bis 2012 als Attachée für Justiz und justizielle Zusammenarbeit und Leiterin des Referats für Justiz und Inneres bei der Ständigen Vertretung Maltas bei der Europäischen Union. Danach trat sie als Rechtsberaterin in das Team der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, ein.

Metsola wurde 2013 erstmals in das Europäische Parlament gewählt und war damit eines der ersten weiblichen Mitglieder des Europäischen Parlaments aus Malta. 2014 and 2019 wurde sie als MdEP wiedergewählt. Im Januar 2022 wurde sie Präsidentin des Europäischen Parlaments.

Politische Ämter

•    2000–2002: Stellvertretende Vorsitzende, Europäische Demokratische Studenten
•    2002–2003: Generalsekretärin, Europäische Demokratische Studenten
•    2004–2012: Attachée für Justiz und justizielle Zusammenarbeit, Malta
•    2004–2012: Leiterin des Referats für Justiz und Inneres
•    2012–2013: Rechtsberaterin von Catherine Ashton, Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik
•    2013–2022: Mitglied des Europäischen Parlaments
•    2020–2022: Erste Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments
•   seit 2022: Präsidentin des Europäischen Parlaments

 

Was sich im Archiv befindet

Die Dokumente des Kabinetts von Präsidentin Roberta Metsola werden dem Archiv am Ende ihrer Amtszeit in Übereinstimmung mit den im Dokumentenverwaltungsverzeichnis für jede Serie festgelegten Zeiträumen übergeben.

Reflexionen der Präsidentin des Europäischen Parlaments: Roberta Metsola

Auszug aus Roberta Metsolas Antrittsrede als Präsidentin des Europäischen Parlaments vom 18. Januar 2022 in Straßburg:

Sehr geehrte Mitglieder des Europäischen Parlaments, meine europäischen Kolleginnen und Kollegen, Voll Demut fühle ich mich geehrt durch diese Verantwortung, die Sie mir anvertrauen. Ich versprechen Ihnen, dass ich mein Bestes für dieses Parlament und zum Nutzen aller Unionsbürgerinnen und -bürger tun werde. [...]

Als Präsidentin werde ich David Sassoli ehren, indem ich immer für Europa eintrete, für unsere gemeinsamen Werte wie Demokratie, Würde, Gerechtigkeit, Solidarität, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, für eine Politik der Hoffnung und das Versprechen der Europäischen Union. Ich möchte, dass die Menschen den Glauben und die Begeisterung für unser Projekt wiederfinden. Den Glauben daran, unseren gemeinsamen Raum sicherer, fairer, gerechter und gleicher zu machen.

Liebe Europäerinnen und Europäer, in den nächsten Jahren werden die Menschen in ganz Europa von unserer Institution Führung und Orientierung erwarten, während andere weiterhin unsere demokratischen Werte und europäischen Grundsätze herausfordern werden. Wir müssen uns gegen das Anti-EU-Narrativ wehren, das sich so leicht und so schnell durchsetzt.

Desinformationen und Fehlinformationen, die durch die Pandemie noch gesteigert werden, verstärken leichtfertigen Zynismus und den Glauben an einfache Antworten wie Nationalismus, Autoritarismus, Protektionismus und Isolationismus. Dies sind Illusionen und keine Lösungen. In Europa geht es um das Gegenteil. Es geht darum, dass wir alle füreinander einstehen und unsere Völker einander näher bringen. Es geht darum, dass wir alle die Grundsätze unserer Gründermütter und -väter verteidigen, die uns aus den Trümmern des Kriegs und des Holocausts zu Frieden, Hoffnung und Wohlstand geführt haben.

Unser Haus ist wichtig, meine Kolleginnen und Kollegen. Es ist wichtig für unsere unter Beschuss geratenen Richter, für jene, die in Gesundheitsberufen an vorderster Front unter Druck stehen; für jede Frau in unserer Union, die noch immer um ihre Rechte kämpft; für die Gefährdeten; für die Unterdrückten und Missbrauchten. Sie ist wichtig für alle jene, die vor Naturkatastrophen fliehen; für die Familien der Menschen, die bei Terroranschlägen ums Leben kommen; für unsere Streit- und Polizeikräfte, die unter schwierigen Bedingungen arbeiten; für alle Schutzsuchenden; für unsere Landwirte, NROs und Unternehmer. Es ist wichtig für unsere LGBTIQ-Gemeinschaften; für alle, die noch immer wegen ihrer Religion, ihrer Hautfarbe oder Geschlechtsidentität diskriminiert werden; für alle, die an das Versprechen Europas glauben. Dieses Haus ist wichtig – und wenn Menschen bei der Verteidigung unserer Werte auf uns bauen, werden sie in uns einen Verbündeten finden.

European Parliament President Roberta MetsolaEP-Präsidentin Roberta Metsola (Mitte) trifft die First Lady der Ukraine, Olena Selenska (links), und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) © Europäische Union 2022 – Europäisches Parlament

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Generation sieht keine altes und kein neues Europa. Wir sind die Ersten der Erasmus-Generation und die Letzten der Wałęsa- und der Havel-Generation. Wir wissen, dass Chancengleichheit nicht bedeutet, alle gleich zu machen. Wir feiern die Unterschiede in Europa, weil wir wissen, dass es das ist, was uns stärker macht. Was uns einzigartig macht. Was uns europäisch macht. Wir wissen, dass wir aus der Straßburger und Brüsseler Blase ausbrechen müssen, um Europa, seine Ideale und Beschlüsse, den Menschen in den Städten und Dörfern Europas näherzubringen, damit sie vertrauensvoll auf Europa bauen.

Schon damals gab es den Ruf nach einem stärkeren Europa. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Konferenz zur Zukunft Europas jene Unterstützung bekommt, die für konkrete Ergebnisse nötig ist. Vor allem müssen wir auf unsere Jugend hören, in diesem ihr gewidmeten Jahr.

Meine europäischen Mitbürgerinnen und -bürger, der Klimawandel sucht unseren Kontinent und unsere Erde heim – er ist kein Problem mehr, das eine andere Generation bewältigen muss. Wenn man der Wissenschaft glaubt, und das ist in diesem Haus der Fall, geht es nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wann“. Der europäische Grüne Deal und das Versprechen, der erste kohlendioxidfreie Kontinent zu werden, sind die richtige Antwort. Das ist nicht nur notwendig und dringlich, es ist auch eine Chance für Europa, die Führung zu übernehmen, sich selbst neu zu erfinden; Wachstum, Nachhaltigkeit und Wohlstand zu gewährleisten und gleichzeitig die Emissionen zu verringern. Wir müssen dem Rest der Welt klarmachen, dass der Kampf gegen den Klimawandel unser gemeinsames Schicksal ist. Morgen ist es zu spät. Und wir müssen weiterhin zeigen, dass es nicht möglich ist, Umwelt und Wirtschaft zu entkoppeln.

Alle Unternehmen in unsere Union, von kleinen Start-ups über KMU bis zu größeren Gesellschaften brauchen in Europa Rechtssicherheit, einen leichteren Zugang zu Finanzmitteln und ein innovationsfreudiges Klima und Umfeld. Sie brauchen weniger Bürokratie und mehr Gelegenheiten, jenen Risiken einzugehen, die Europa wieder seinen Wettbewerbsvorsprung sichern. Der Aufbau- und Resilienzfonds wird helfen, die Investitionstätigkeit nach der Pandemie wieder anzukurbeln. Wie der grüne Wandel schafft auch der digitale Wandel Chancen. Wir müssen bei diesen Veränderungen an vorderster Front stehen und sie steuern. Das werden wir auch tun.

Unser europäischer Weg der offenen Volkswirtschaften und Gesellschaften ist ein Modell, auf das ich stolz bin. Es ist ein Modell, das Unterstützung benötigt, um dem Druck, dem es ausgesetzt sein wird, standzuhalten – dem Druck, den Blick nach innen zu wenden, neue Schranken und alte Grenzen wieder zu errichten und unseren gemeinsamen Schengen-Raum aufzugeben – einen Raum, zu dessen Vollendung wir verpflichtet sind; oder um jedem Versuch entgegenzutreten, unsere Werte und unsere Grundsätze in Misskredit zu bringen.

Konrad Adenauer sagte: „Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Welt um uns herum ist weniger freundlich, als sie es noch vor einer Generation war. Die inakzeptablen Angriffe auf die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit der Ukraine und die gefährliche Lage in Belarus sind Paradebeispiele dafür. Unser aller Sicherheit ist eine gemeinsame Herausforderung. Damit die Europäische Union weiterhin Vertrauen genießt und ihren Einfluss weltweit geltend machen kann, müssen wir uns weiterhin von unseren Grundsätzen leiten lassen. Das ist unsere wahre Stärke. Allein durch ihre Existenz ist die EU für Autokraten und Despoten eine Bedrohung. Wie es Tarek Osman so eloquent formuliert hat: „Europa hat im Grunde genommen den schönsten und kultiviertesten Weg gefunden, Humanität zu leben, der in der Menschheitsgeschichte seinesgleichen sucht.“

Europa hat ein kriegerisches, aber auch ein heilendes Vermächtnis. Wir können uns diese Erfahrung zunutze machen, indem wir Bemühungen unterstützen, Zypern als letztes geteiltes Land in der EU im Rahmen des Plans der Vereinten Nationen wieder zu vereinen. Wir können niemals wirklich vollständig sein, solange Zypern geteilt ist. Wir müssen auch wieder Schwung in unsere Beziehung zum Westbalkan bringen.

Sehr geehrte Mitglieder, ich will es klar sagen – jenen, die Europa zerstören möchten: Seien Sie sich gewiss, dass Sie dieses Haus zum Gegner haben;

jenen, die versuchen, die Demokratie, den Rechtsstaat, die Redefreiheit und die Grundrechte zu untergraben, die Frauen als ein Ziel betrachten und die unseren LGBTIQ-Bürgern ihre Rechte verweigern – seien Sie sich gewiss, dass dieses Haus dies niemals akzeptieren wird;

jenen, die versuchen, Europa durch hybride Angriffe zu erpressen: Dieses Parlament wird die Solidarität seiner Mitglieder niemals schwächen – seien Sie sich gewiss, dass Diktatoren uns niemals spalten werden.

Und lassen Sie mich den Familien von Daphne Caruana Galizia und Jan Kuciak – Journalisten, die ermordet wurden, weil sie ihren Beruf ausübten – ausrichten: Ihr Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit ist unser Kampf. Den Angehörigen von Olivier Dubois, der vor fast 300 Tagen in Mali verschleppt wurde, sage ich, dass sein Kampf um die Freiheit zu unserem Kampf werden muss.

European Parliament President Roberta MetsolaBesuch einer Delegation des LIBE-Ausschusses in Malta – MdEP Roberta Metsola während einer Pressekonferenz am 4. Dezember 2019 in Valletta © Europäische Union 2019 – Europäisches Parlament

Freundinnen und Freunde, Europäerinnen und Europäer, das von uns entwickelte Politikmodell hat unserem Kontinent Demokratie, Wohlstand und Gleichheit gebracht. Wenn wir Europa auf das Niveau heben wollen, das wir der nächsten Generation versprochen haben, müssen wir jetzt etwas noch Stärkeres schmieden, etwas, das mit der Zeit geht und ein jüngeres, skeptischeres Publikum motiviert, an Europa zu glauben.

Unser Parlament muss eines sein, das Stärke verleiht, das vielfältig ist. Ich weiß, dass die Tatsache, dass es zum ersten Mal seit 1999 wieder eine Präsidentin dieses Hauses gibt, sowohl innerhalb als auch außerhalb dieser Räumlichkeiten von Bedeutung ist. Es geht jedoch um mehr. Die Selbstverpflichtung unserer Institution, mehr Vielfalt und eine bessere Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen, die Rechte der Frauen – alle unsere Rechte – zu garantieren, muss erneuert werden. Vor 22 Jahren wurde Nicole Fontaine – 20 Jahre nach Simone Veil – zur Präsidentin gewählt. Es wird nicht wieder zwei Jahrzehnte dauern, bis die nächste Frau hier steht.

Ich weiß, dass ich auf den Schultern von Riesen stehe – auf den Schultern von Simone Veil, Auschwitz-Häftling Nr. 7-8-6-5-1, die die Fesseln des schmerzhaften Teils unserer europäischen Geschichte abgeschüttelt hat, um als erste Präsidentin des Europäischen Parlaments einen Weg durch gläserne Decken zu markieren; auf den Schultern namenloser Frauen, die so viel ertragen mussten und für uns kämpften, damit uns jene Möglichkeiten offen stehen, die ihnen nie gewährt wurden; auf den Schultern von Ashling, Paulina und all den anderen Frau, die dieses Jahr schon ums Leben gebracht wurden; auf den Schultern der Vertriebenen und Verschwundenen in Europa; auf den Schultern all jener, die gekämpft und unter totalitären Regimes gelitten haben und alles für Europa gegeben haben;

auf den Schultern all jener, die daran geglaubt haben und noch immer daran glauben. Wir stehen hier dank ihnen. Wir stehen hier für sie.

Europa ist zurück. Europa ist die Zukunft. Vive l’Europe!

Vielen Dank! Und jetzt an die Arbeit.