Der Bestand von Jerzy Buzek


MEP Jerzy BuzekPlenarsitzung September 2013 – Jerzy Buzek bei der gemeinsamen Aussprache 'Energiebinnenmarkt/Kleinsterzeugung' © Europäische Union 2013 – Europäisches Parlament
„[...] Europa ist [...] eine politische Entscheidung – eine Entscheidung für die Hoffnung, die sich auf die Lektionen aus der Vergangenheit und die Möglichkeiten der Zukunft gründet.“

Biografie

Jerzy Karol Buzek wurde am 3. Juli 1940 in Smilovice in der Tschechoslowakei geboren. 1963 schloss er sein Studium des Chemieingenieurwesens am Institut für Mechanik und Energie der Schlesischen Technischen Universität in Gliwice (Gleiwitz) ab. Er wurde Wissenschaftler am Institut für Chemieingenieurwesen der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Gliwice. Im Jahr 1969 wurde ihm der Doktorgrad verliehen. 1971 verbrachte er einen Forschungsaufenthalt an der Universität von Cambridge. Buzek war ein anerkannter Dozent an der Schlesischen Technischen Universität in Gliwice und an der Technischen Universität Opole (Oppeln). In den frühen 1980er-Jahren verlagerte sich sein Schwerpunkt auf den Umweltschutz. Er wurde schließlich zum Professor für technische Wissenschaften ernannt. Von 2002 bis 2004 war Jerzy Buzek Prorektor der Akademia Polonijna in Częstochowa. Die Universitäten von Dortmund, Seoul und Isparta (Türkei) sowie die Technischen Universitäten von Schlesien, Opole und Łódź, verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. 

In den 1980er-Jahren war Buzek ein Aktivist der politischen antikommunistischen Bewegung und Gewerkschaft Solidarność (Solidarität). Er war Delegierter des ersten nationalen Delegiertenkongresses der Solidarność und führte später den Vorsitz des vierten, fünften und sechsten Delegiertenkongresses. 1981 entkam er der Inhaftierung und ging in den Untergrund, um Mitherausgeber des illegalen Blattes "S" zu werden. Mehrere Jahre lang war er aktiv an der Organisation der regionalen und nationalen Organe der "S" im Untergrund beteiligt. Eine schwere Erkrankung seiner Tochter veranlasste ihn, den Aktivismus im Untergrund aufzugeben.

Von 1997 bis 2001 war Jerzy Buzek polnischer Premierminister.

Bei seiner Rückkehr ins politische Leben im Jahr 2004 trat er bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für die Bürgerplattform als Abgeordneter für Katowice (Kattowitz) an und erhielt das stärkste Votum in Polen. Wie schon 2004 erhielt er auch 2009 eine Rekordzahl an Stimmen, als er als Abgeordneter der Woiwodschaft Schlesien wiedergewählt wurde.  

Am 14. Juli 2009 wurde er zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt. 2014 und 2019 wurde Jerzy Buzek erneut in das Europäische Parlament gewählt. 

Er ist Mitglied der Delegation für die Beziehungen zur Parlamentarischen Versammlung der NATO und ist im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung, in der Delegation in der Parlamentarischen Versammlung Euronest und in der Delegation im Parlamentarischen Assoziationsausschuss EU-Ukraine tätig. Er vertrat das Europäische Parlament als Wahlbeobachter bei den Wahlen 2004 in der Ukraine.

 

Politische Ämter

•    1980-1987: Gewerkschaftsaktivist der Solidarność (Solidarität)
•    September 1980: Wahl zum Vorsitzenden des Solidarność-Betriebsausschusses
•    1981: Delegierter des 1. nationalen Delegiertenkongresses der Solidarność; Vorsitzender des 4., 5. und 6. Delegiertenkongresses (1992-1994)
•    Februar 1997: Koordinator der Wirtschaftsexperten des AWS (Wahlaktion Solidarność)-Wahlbündnisses
•    1997-2001: Ministerpräsident Polens
•    1998: gründet die Familienstiftung
•    1999: Wahl zum Vorsitzenden des AWS (Wahlaktion Solidarność)-Wahlbündnisses
•    seit 2004: Mitglied des Europäischen Parlaments
•    seit 2004: Mitglied des Europäischen Energieforums (2004-2014: stellvertretender Vorsitzender, seit 2014: Vorsitzender)
•    2009-2012: Präsident des Europäischen Parlaments
•    2014-2019: Vorsitzender des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie

 

Was sich im Archiv befindet

Der Bestand des Kabinetts von Präsident Jerzy Buzek umfasst 765 Akten, vorwiegend in elektronischem Format. Dieser Bestand spiegelt die Tätigkeit des Präsidenten bei der Erfüllung seiner Aufgaben wider, wobei der Schwerpunkt bei den Dokumenten auf den Beziehungen des Kabinetts mit den anderen Generaldirektionen des Parlaments und den Kontakten des Präsidenten mit anderen Institutionen und Organen der EU und den Mitgliedstaaten liegt. Hervorzuheben sind Dokumente mit Informationen zu Reden, Pressemitteilungen, Interviews und zur Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen wie Konferenzen, Eröffnungen und Seminaren.

Reflexionen der Präsidenten des Europäischen Parlaments: Jerzy Buzek

Auszug aus Buzeks Abschiedsrede in Straßburg, Donnerstag, 15. Dezember 2011:

„Wenn Sparta und Rom untergingen“, schrieb Jean-Jacques Rousseau, „welcher Staat kann hoffen, ewig zu bestehen?“ Keine von Menschen geschaffenen Institutionen sind unsterblich. Wir Europäer dürfen uns nicht zu dem Gedanken verleiten lassen, dass unsere Union eine Ausnahme darstellt. Um stark zu bleiben, müssen wir täglich in unsere Zukunft investieren.

[...]

Als Präsident des Europäischen Parlaments habe ich Ihnen und den Bürgern Europas gedient. Ich habe mich vor zweieinhalb Jahren von Ihrer mit solch großer Mehrheit getroffen Entscheidung ungemein geehrt gefühlt. [...] Ich habe alles dafür getan, Ihr Vertrauen nicht zu enttäuschen. Ich wusste, dass ich auf Sie zählen konnte, unabhängig von unseren jeweiligen Standpunkten. Heute möchte ich Ihnen über die Arbeit unseres Parlaments Bericht erstatten: Ihre, wie auch meine Arbeit. Dies ist kein detaillierter Bericht. Ein entsprechendes Dokument finden Sie im neuen Jahr in Ihren Mailboxen. Ich möchte Ihnen jedoch erläutern, was wir zusammen erreicht haben und was immer noch vor uns liegt.

Sie wissen genau wie ich, dass meine Amtszeit als Präsident mit einer außergewöhnlich schwierigen Periode für Europa zusammenfiel:

Erstens verabschiedeten wir den Vertrag von Lissabon.

Zweitens waren wir mit der Krise konfrontiert.

Drittens stellten wir fest, dass die Globalisierung mit unglaublicher Geschwindigkeit voranschritt.

Viertens stehen wir heute vor den wichtigsten Beschlüssen für unsere Zukunft.

[...]

European Parliament President Jerzy BuzekKonferenz zur Integration des größeren Europas nach dem Vertrag von Lissabon - Abgebildet (von links nach rechts): David Harley, Jerzy Buzek, Alan Mayhew © Europäische Union 2011 – Europäisches Parlament

Ich möchte mich hiermit direkt an die Bürger Europas wenden.

Ich verstehe, dass Sie möglicherweise enttäuscht sind. Doch Europa ist in vielerlei Hinsicht der beste Ort in der Welt. Unsere Vielfalt, Kreativität und Offenheit in Europa sind die beste Voraussetzung, um Ihre Bestrebungen und Wünsche verwirklichen zu können. Loggen Sie sich in unseren gemeinsamen europäischen Raum ein; es ist Ihr Raum.

Und lassen Sie sich nicht einreden, dass es ein Widerspruch ist, ein guter Pole und ein guter Europäer, ein guter britischer Staatsbürger und ein europäischer Bürger, ein guter Spanier und gleichzeitig ein guter Europäer zu sein. Wer hier einen Widerspruch herstellt, begeht einen großen Irrtum. Europa gestattet es Ihnen, die Magie des Wortes „und” zu entdecken: Sie können ein guter Bürger Ihrer Stadt, Ihrer Region, Ihres Landes – und Ihres Kontinents – sein.

Liebe Freunde,

paradoxerweise beginnen wir aufgrund dieser Krise die Herausbildung eines wahren Demos zu erkennen. Die Europäer können jetzt sehen, wie sehr wir voneinander abhängig sind. Ein Land kann die gesamte Wirtschaft untergraben, doch viele Länder können im Wege der Zusammenarbeit das Problem lösen. Deshalb habe ich bei all meinen Reisen innerhalb der EU einen intensiveren Dialog mit den Menschen befürwortet und bin für die Vorstellung von einem europäischen bürgergesellschaftlichen Raum eingetreten. Eine Demokratie, die auf eine solche Art und Weise aufgebaut ist, könnte stärker sein als die Finanzmärkte, die einen so starken Einfluss auf unsere politischen Beschlüsse und auf unser Alltagsleben haben.

[...] Ich glaube, dass wir einen „New Deal für Europa” brauchen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

unser wahres Problem ist der Mangel an gegenseitigem Vertrauen und der Orientierungsverlust. Wie der Historiker Norman Davies in seinem Buch „Vanished Kingdoms” geschrieben hat, liegt dem Fall von Mächten gerade ein solcher Orientierungsverlust zugrunde.

Wir brauchen ein gemeinsames Projekt und nicht eine Hypothek auf die Zukunft der kommenden Generation. In den dreißiger Jahren – als unser Kontinent auf eine Tragödie zuschlitterte – rettete Präsident Roosevelt die Demokratie und die freie Marktwirtschaft in den Vereinigten Staaten von Amerika mit seinem New Deal. Heute erfordert unsere Krise einen New Deal für Europa.

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