Der Bestand von Hans-Gert Pöttering


MEP Hans-Gert PötteringPlenarsitzung im Europäischen Parlament in Straßburg – Eröffnung der ersten Sitzung des erweiterten Europäischen Parlaments. Abgebildet (von links nach rechts): Dirk Sterckx, Hans-Gert Pöttering, Françoise Grossetête © Europäische Gemeinschaften 2004 – Europäisches Parlament
„Wir im Europäischen Parlament verteidigen gemeinsame europäische Werte. Wir werden niemals zulassen, dass Lautstärke und Lärm gegenüber einem demokratischen Europa die Oberhand gewinnen.“

Biografie

Hans-Gert Pöttering wurde am 15. September 1945 geboren. Er studierte Rechtswissenschaften, Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Bonn, der Universität Genf, am Hochschulinstitut für internationale Studien in Genf und an der Columbia University in New York. Sein erstes juristisches Staatsexamen legte er 1973 ab und er ist Doktor der Philosophie (Politikwissenschaft und Geschichte). Ab 1989 war er Lehrbeauftragter an der Universität Osnabrück und wurde 1995 zum Honorarprofessor an der Universität ernannt.

Von den ersten unmittelbaren Wahlen im Jahr 1979 bis zum Jahr 2014 war er ununterbrochen Mitglied des Europäischen Parlaments. Er wurde 1994 stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Europäische Demokraten) und war von 1999 bis 2007 Vorsitzender der EVP. Er löste Josep Borrell Fontelles als Präsident des Europäischen Parlaments im zweiten Teil der Amtszeit 2004–2009 ab. Als er 2014 sein Amt niederlegte, war er das dienstälteste Mitglied des Europäischen Parlaments.

Als Präsident des Europäischen Parlaments schlug er die Schaffung des Museums „Haus der Europäischen Geschichte“ in Brüssel vor und ist seither Vorsitzender des Kuratoriums. Von 2010 bis 2017 war er Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Von 2018 bis 2022 war Hans-Gert Pöttering Vorsitzender des Vereins der ehemaligen Mitglieder des Europäischen Parlaments.

Politische Ämter

  • 1974–1976: Kreisvorsitzender der Jungen Union im Landkreis Osnabrück
  • 1974–1980: Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes Bersenbrück
  • 1976–1980: Europapolitischer Sprecher der Jungen Union Niedersachsen
  • 1979–2014: Mitglied des Europäischen Parlaments (einziges Mitglied, das von der ersten unmittelbaren Wahl im Jahr 1979 bis zum Jahr 2014 ununterbrochen Mitglied des Europäischen Parlaments war)
  • 1981–1991: Vorsitzender der Europa-Union Niedersachsen
  • 1984–1994: Vorsitzender des Unterausschusses für Sicherheit und Abrüstung
  • 1990–2010: Vorsitzender der CDU im Landkreis Osnabrück
  • 1994–1996: Leiter der Arbeitsgruppe „Regierungskonferenz 1996“ von EVP und EVP-Fraktion zur Erarbeitung der EVP-Position zum Vertrag von Amsterdam
  • 1994–1999: Stellvertretender Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament
  • 1996–1999: Leiter der Arbeitsgruppe „Erweiterung der Europäischen Union“ von EVP und EVP-Fraktion
  • 1997–1999: Präsident der Europa-Union Deutschland
  • 1999–2007: Vorsitzender der Fraktion EVP-ED im Europäischen Parlament
  • 1999–2009: Mitglied im Bundesvorstand der Christlich Demokratischen Union (CDU, Deutschland), Präsidiumsmitglied
  • 1999–2009: Mitglied des Präsidiums der Europäischen Volkspartei (EVP)
  • 2007–2009: Präsident des Europäischen Parlaments
  • 2008–2009: Präsident der Parlamentarische Versammlung der Union für den Mittelmeerraum (PV-UfM)
  • 2008–2014: Vorsitzender der Arbeitsgruppe zum Nahen Osten im Europäischen Parlament
  • 2010-2017: Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung
  • 2018-2022: Vorsitzender des Vereins der ehemaligen Mitglieder des Europäischen Parlaments
  • seit 2010: Mitglied des Direktoriums der Karlspreisgesellschaft der Stadt Aachen

Was sich im Archiv befindet

Das Archiv hat 90 Akten vom Kabinett des Präsidenten Pöttering erhalten. Von besonderer Bedeutung sind für den Präsidenten verfasste Briefings, da es sich um Zusammenfassungen von Plenarsitzungen sowie von Sitzungen der Mitglieder und Direktoren, die dem Kabinett zur Kenntnisnahme übermittelt wurden, handelt. Wir heben auch die chronologische Sammlung der Briefe des Präsidenten, insbesondere die Antwortschreiben auf Einladungen sowie die Dankschreiben, hervor. Das Kabinett hat Akten zu allen Aspekten der Arbeit des Präsidenten erstellt, etwa zu Besuchen, Reden, Interviews und Medienkontakten.

Weitere Dokumente zur Präsidentschaft Pötterings werden von der Konrad-Adenauer-Stiftung aufbewahrt.

 

Reflexionen der Präsidenten des Europäischen Parlaments: Hans-Gert Pöttering

Auszug aus der Antrittsrede des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 13. Februar 2007 in Straßburg:

Ich heiße Sie alle sehr herzlich willkommen. Es bereitet uns eine große Freude, dass Sie alle diese Einladung angenommen haben. Pierre Pflimlin und Piet Dankert sind nicht mehr unter uns. Wir gedenken ihrer in Dankbarkeit.

Zusammen mit den Kollegen Klaus Hänsch, Ingo Friedrich, Karl von Wogau, Francis Wurtz und Jens-Peter Bonde habe ich das Privileg, dem Europäischen Parlament seit seiner ersten Wahl im Jahre 1979 anzugehören. In dieser Zeit haben wir Höhen und Tiefen der europäischen Politik erlebt.

Der größte Erfolg ist die Überwindung der Teilung Europas. Unsere gemeinsamen Werte haben sich durchgesetzt. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union von Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn, Slowenien — und von Malta und Zypern — seit dem 1. Mai 2004 sowie seit dem 1. Januar dieses Jahres von Bulgarien und Rumänien und des geeinten Deutschland bereits seit 3. Oktober 1990 bleiben für mich das Wunder unserer Generation. Wir haben allen Anlass, uns darüber auch heute von Herzen zu freuen.

European Parliament President Hans-Gert PötteringEP-Präsident Hans-Gert Pöttering (Mitte) bei einem offiziellen Besuch in Rumänien. Gemeinsame Pressekonferenz mit dem Vorsitzenden des rumänischen Senats Nicolae Văcăroiu (links) und dem Vorsitzenden des Unterhauses Bogdan Olteanu (rechts) © Europäische Union 2007 – Europäisches Parlament

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt für uns alle eine Aufgabe, voneinander zu lernen, den Respekt und das Verständnis füreinander zu stärken. Wir sollten aufhören, von den „alten“ und „neuen“ Mitgliedsländern zu sprechen. Wir alle gemeinsam sind das Europäische Parlament und unsere Völker, die wir vertreten, sind die Gemeinschaft der Europäischen Union.

In den 80er Jahren war von „Eurosklerose“ die Rede. Dann jedoch kamen der Binnenmarkt und die gemeinsame Europäische Währung. Wir haben uns als Europäisches Parlament unsere Rechte erkämpft und werden dies weiter tun. Unser Parlament ist heute einflussreich und selbstbewusst. Die Erfahrung lehrt uns also, dass wir für unseren Kontinent Erfolg haben, wenn wir selbst es wollen, wenn unser Wille stark und entschlossen bleibt, die Einheit unseres Kontinentes bei Bewahrung seiner Vielfalt zu verwirklichen. Um diese Entschlossenheit möchte ich Sie heute alle bitten.

Aber wir werden dabei nur erfolgreich sein, wenn die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sich — neben ihrer Verbundenheit zur Heimat und zum eigenen Vaterland — auch als Europäerinnen und Europäer begreifen und sich bewusst sind, was sie verbindet. Gemeinschaftsbewusstsein und Wir-Gefühl sind notwendige Voraussetzungen für unsere gemeinsame europäische Zukunft. Die europäische Einigung ist dabei nicht nur ein Anliegen, das uns unser Verstand gebietet, sondern auch ein Anliegen des Herzens. Dies den Menschen deutlich zu machen, ist vielleicht die größte Aufgabe, die wir gemeinsam zu bewältigen haben.

Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union dienen. Die Europäer sollten stolz darauf sein, was sie sich über die Jahrhunderte erkämpft haben — an Werten, Freiheit, Recht und Demokratie. Es war ein langer Weg. Wir wissen: unsere europäischen Wurzeln sind die griechische Philosophie, das römische Recht, das jüdisch-christliche Erbe, die Aufklärung, also unsere gemeinsame europäische Kultur. Aber dazu gehören auch die tragischen europäischen Bürgerkriege und im 20. Jahrhundert die menschenverachtenden Ideologien des Totalitarismus und dann nach 1945 der Mut der Gründerväter, den Weg des Vergebens und der Versöhnung zu gehen, ein neues, besseres, friedliches, gemeinsames Europa zu bauen. Daran sollten wir uns auch heute erinnern und unsere Gemeinsamkeiten wieder entdecken. Der große französische Europäer Jacques Delors hat, ganz in der Tradition von Robert Schuman, von der „europäischen Seele“ gesprochen. Der große polnische Europäer, Wladyslaw Bartoszewski, hat einmal gesagt: „Europa, das bedeutet vor allem die Freiheit der Person, die Menschenrechte — politische und ökonomische“. Beide haben Recht.

European Parliament President Hans-Gert PötteringEVP-Fraktionssitzung – der scheidende Kommissionspräsident Jacques Delors wird mit der Robert-Schuman-Medaille ausgezeichnet. Abgebildet (Reihe oben, von links nach rechts): Edward Kellett-Bowman, Hans-Gert Pöttering, Ria Oomen-Ruijten, Wilfried Martens, Jacques Delors. Reihe unten, von links nach rechts: Egon Klepsch, Peter Schmidhuber, Sir Leon Brittan, Franz Fischler © Europäische Gemeinschaften 1995

Ich möchte von den europäischen Werten sprechen. Sie gründen im Kern in der Würde des Menschen. In der Würde der Person achten wir den Anderen, verpflichten uns selbst und bauen so eine Ordnung der Verantwortung und Solidarität. In unserem praktischen politischen Handeln sollten wir immer der Würde des Menschen dienen, und ich möchte uns alle ermuntern, die Menschenwürde und die Menschenrechte in der ganzen Welt zu verteidigen.

Das ist keine abstrakte Forderung. Wir sind nicht der Lehrmeister der Welt, aber unser Menschenbild und unsere Werte werden für andere überzeugender, wenn wir sie selber glaubwürdig leben. Das hat sehr konkrete Folgen für unsere Politik [...]

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